Protestcamp von Flüchtlingen in Bitterfeld
Am Abend des 1. August 2013 errichteten Flüchtlinge in Bitterfeld einProtestcamp. Weitere Flüchtlings-Protestcamps sind in Berlin,Eisenhüttenstadt und Nürnberg. Dem Protestcamp voraus ging eineDemonstration mit 70 Teilnehmer_innen, die am Bitterfelder Bahnhofstartete über die Ausländerbehörde und den Marktplatz führte und im Parkin Bitterfeld endete, dort steht jetzt das Protestcamp.Ins Leben gerufen wurde der dauerhafte Protestort hauptsächlich vonMenschen, die im Lager Friedersdorf leben müssen. Mit dem Camp sollendie unhaltbaren Zustände, die in Friedersdorf, aber auch in den anderenLagern in Sachsen-Anhalt herrschen in die Öffentlichkeit getragenwerden. Konkrete Forderungen wurden von den von Isolation undEntrechtung betroffenen Menschen bereits in der Vergangenheit mehrmalsformuliert. Bisher aber gab und gibt es keine Reaktionen oder Bemühungenseitens der politischen Verantwortlichen oder der Behörden, vonÜberlegungen, die Lebenssituation der Flüchtlinge endlich humaner zugestalten, ganz zu schweigen.Bereits in den vergangene Monaten machten die BewohnerInnen des Lagersauf die Situation in Friedersdorf aufmerksam indem sie u.a. eineStraßenblockade errichteten. Die Proteste richten sich seit Beginn gegendas Asylverfahren, Abschiebehaft und Abschiebungen, gegen die geringenAnerkennungsquoten und langen Wartezeiten, sowie gegen die darausresultierenden Lebensumstände, die das deutsche Aufenthaltsgesetz unddas Asylbewerberleistungsgesetz für Menschen ohne dauerhaften Aufenthaltvorsieht. Besonders steht dabei das fremdbestimmte Leben und Wohnen inLagern und die Isolation und Ausgrenzung in der Kritik. Bewohner*Innendes Lagers Friedersdorf berichteten vermehrt von massiven Eingriffen inihre Privatsphäre, die nicht nur eine Verletzung derPersönlichkeitsrechte darstellen, sondern auch verheerende Auswirkungenauf das Asylverfahren haben können, wenn z.B. wichtige Post von Behördenden Adressaten vorenthalten oder erst Tage und Wochen späterausgehändigt wird. So verstrichen in einigen Fällen wichtige Fristen,die eingehalten werden müssen, um z.B. einen Widerspruch einlegen zukönnen. Von einer ähnlichen rassistischen Praxis berichten auchFlüchtlinge aus anderen Lagern, wie in Vockerode im Landkreis Wittenberg.Ebenfalls blieb der Tod von Cosmo Saizon, ein Bewohner des LagersFriedersdorf, aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung bisher ohneKonsequenzen. Nachdem der Verstorbene über längere Zeit mitgesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte und nicht adäquatmedizinisch betreut wurde, verstarb er mit 33 Jahren im April diesenJahres. Wenig später, im Mai, erreichte die Öffentlichkeit eine weitereTodesmeldung. Diesmal war im Lager in Bernburg Adams Bagna an Atemnotdurch ein chronisches, unbehandeltes Asthmaleiden verstorben. AdamsBagna persönlich als auch andere Bewohner*Innen des Lagers hatten in derVergangenheit mehrmals sowohl auf die schlechte ärztliche Versorgung alsauch die gesundheitlichen Belastungen hingewiesen, die durch dasmonatliche Versprühen von giftigen Insektiziden in den Wohn- undSchlafräumen entstehen. Die maroden, alten Plattenbauten des Lagerswerden massiv von Kakerlaken besiedelt. Da die Flüchtlinge nur von derHeimleitung zugeteilte Bettwäsche haben, können sie ihre Betten nach denInsektizideinsätzen nicht neu beziehen. So müssen sie in denRückständen der Insektizide schlafen. Wann und wie oft sie ihre Kleidungwaschen wollen, können die Flüchtlinge nicht selbst bestimmen. Sie sindvon den Vorschriften der Heimleitung abhängig. Somit dauert es teilweisenach dem Einsatz der Insektizide bis zu einer Woche bis ihre Kleidung,Bettwäsche, Handtücher etc. gereinigt werden kann.Beide Todesfälle stehen im Zusammenhang mit systematischenBenachteiligungen, denen Flüchtlinge in Deutschland ausgesetzt sind,welche weitreichende und drastische Auswirkungen auf das Leben und aufdas psychische Wohlbefinden und die Gesundheit der Betroffenen haben.Die Vorwürfe einer unzureichenden medizinischen Versorgung wiesenpolitische Akteure, genannt sei hier Bernhard Böddeker, Dezernent fürSicherheit, Ordnung und Kommunales und stellvertretender Landrat imLandkreis Anhalt-Bitterfeld, nicht nur als unbegründet zurück. Vielmehrversuchte Böddecker die Kritik an den herrschenden Zuständen alsInstrumentalisierung des Todes von Cosmo Saizon zu diffamieren. Lautseinen Aussagen werden Flüchtlinge gleichberechtigt und umfassendmedizinisch behandelt. Dass die Praxis und das alltägliche Leben für dieBetroffenen anders aussieht, zeigen nicht nur die beiden traurigenTodes-„Fälle“ von Cosmo Saizon und Adams Bagna, sondern beginnt da, woein erkrankter Mensch, bevor er zum Arzt gehen kann, gezwungen ist aufeinen Krankenschein zu warten, sich Fragen vonSozialamtsmitarbeiter*Innen gefallen lassen muss, ob er wirklich zueinem Spezialisten überwiesen werden soll oder anstatt vernünftigversorgt zu werden eine Packung Aspirin verschrieben bekommt.Gegen diese Zustände, aber vor allem für ein selbstbestimmtes,menschenwürdiges Leben protestieren die Flüchtlinge nun dauerhaft und inaller Öffentlichkeit in Bitterfeld.Ihre konkreten Forderungen sind:Anerkennung der Asylgründe und ein Bleiberecht!Abschaffung der Residenzpflicht!Abschaffung der Lager! Freie Wahl des Wohnortes und der Wohnung!Ein Ende der rassistischen PolizeikontrollenAuszahlung der vollen Summe der monatlichen Sozialhilfe von 321 €, dieihnen per Gerichtsbeschluss von 2012 zustehen, anstatt 184 €. Niemandkann von so wenig Geld ernsthaft leben.Gleichbehandlung aller Menschen, egal woher sie kommen!Wir solidarisieren uns mit den protestierenden und kämpfendenFlüchtlingen und rufen hiermit zur Unterstützung des Camps auf! Für dasRecht zu Bleiben! Für eine globale Bewegungsfreiheit für alle,unabhängig von der geografischen Herkunft, vom Pass, von der Hautfarbeoder von der Religion und Kultur!Das Camp wird organisiert vonKARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und Migrantinnen Wittenberg,Sachsen Anhalt.Flüchtlingsbewegung Sachsen Anhalt,The Voice Refugee Forum Wittenberg Sachsen AnhaltAntirassistisches Netzwerk Sachsen-AnhaltKontakt: 0178-4556190Mehr InformationenÜber das Camp:http://refugeeprotestbtf.blogsport.de/Mehr Antira-Infos:http://refugeeinitiativewittenberg.blogspot.de/http://antiranetlsa.blogsport.de/http://no-lager-halle.orgFotos von der Demo am 1.8.2013http://refugeeinitiativewittenberg.blogspot.de/2013/08/fotos-von-der-demonstration-in.htmlhttp://antiranetlsa.blogsport.de/2013/08/02/bilder-der-demo-am-1-8-13-in-bitterfeld/Presse zum 1.8.2013http://www.rbwonline.de/beitrag/filmbeitrag2.php?id=57785http://www.neues-deutschland.de/artikel/829170.fluechtlinge-demonstrieren-gegen-rassistisches-asylgesetz.htmlÜber Friedersdorfhttp://antiranetlsa.blogsport.de/2013/05/30/kurze-geschichte-der-fluechtlingsproteste-in-friedersdorf-und-offener-brief-an-die-politisch-verantwortlichen-des-fluechtlingslagers-friedersdorf/http://www.mz-web.de/archiv/Betroffenes-Schweigen/HC-11-28-2012-7072542.71-46225532KT.htmhttp://www.mz-web.de/bitterfeld/obduktion-tod-eines-fluechtlings-in-friedersdorf,20640916,22675192.htmlhttp://www.mz-web.de/bitterfeld/fluechtlinge-in-anhalt-bitterfeld--konflikte-entladen-sich-,20640916,22729000.html