27. September 2012: Majid Dehghan, Flüchtling aus dem Iran, liegt nach Suizidversuch im Koma
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Das deutsche Lagersystem für Flüchtlinge treibt junge Menschen in den Selbstmord
27. September 2012: Majid Dehghan, Flüchtling aus dem Iran, liegt nach Suizidversuch im Koma
Majid Dehghan lebt seit 18 Monaten in einem Heim in Weiden/Oberpfalz in Bayern. Er kam als Flüchtling nach Deutschland, hat hier Asyl gesucht und wurde abgelehnt. Ein anderer Flüchtling, Mojtaba Khoubyri, ebenfalls wohnhaft in Weiden, und er hatten am 13. September erstmals versucht, sich das Leben zu nehmen. Die Polizei brachte sie daraufhin in eine psychiatrische Anstalt. Kurz nach der Entlassung unternahm Majid abermals einen Selbstmordversuch. Seit drei Tagen liegt er nun im Koma, zwischenzeitlich hatte der Arzt einen Herzstillstand gemeldet. Ob er überleben wird, ist ungewiss.
Majid Dehghan ist nicht der erste Flüchtling, den die Ausweglosigkeit und die Verzweiflung über das Leben als Flüchtling in Deutschland dieses Jahr dazu getrieben hat, sich das Leben nehmen zu wollen. Hier die Namen der uns bekannten Personen:
1. Mohammad Rahsepar, Flüchtling aus dem Iran und wohnhaft in der ehemaligen Emery-Kaserne in Würzburg, nahm sich am 29. Januar 2012 das Leben.
2. Vahid Firooz, 24 Jahre alt, Flüchtling aus Afghanistan und wohnhaft im berühmten Isolationslager Bramsche, versuchte sich am 24. Juni 2012 das Leben zu nehmen.
3. Samir Hashemi (THE VOICE of Refugees and Migrants, Ausgabe 04/2012, Seite 7), 27 Jahre alt, Flüchtling aus dem Iran, wohnhaft in einem Isolationslager in Kirchheim unter Teck bei Stuttgart, nahm sich am 4. September 2012 das Leben.
4. Am 13. September die letzten beiden Selbstmordversuche von Majid und Mojtaba im Isolationslager in Weiden.
Mohammad Rahsepar starb am 29. Januar 2012 in Würzburg. Sein Tod war der Anlass für die dort lebenden Flüchtlinge, auf die Straße zu gehen und gegen die miserablen Lebensbedingungen in den Isolationslagern für Flüchtlinge zu protestieren. Nach zweieinhalb Monaten des Protestes auf der Straße nähten sich die Flüchtlinge die Lippen zu und begannen einen dritten Hungerstreik. Sie sagten: „Wir haben laut geschrien, aber niemand hat uns gehört. Jetzt haben wir unsere Lippen zugenäht, weil alles gesagt wurde.“
Da seit Jahren nichts passiert und die verantwortlichen Politiker und die Mitarbeiter der staatlichen Verwaltungen nichts tun, um diese Zustände zu verändern, sondern bewusst den Tod von Menschen in den Isolationslagern und den Tod durch die Abschiebungen in Kauf nehmen, kämpfen Flüchtlinge seit Jahren gegen die unmenschlichen Lebensbedingungen in den Isolationslagern. Sie widersetzen sich den durch die deutsche Regierung geschaffenen Zuständen, die sie bewusst psychisch und physisch zermürben sollen. Aktuell sind sie auf einem Fußmarsch von Würzburg nach Berlin, um genau die Schließung aller Isolationslager zu fordern. Sie haben sich aus diesen Lagern befreit, in denen Isolation, Perspektivlosigkeit, Demütigung und der langsame Tod sie krank machen und zerstören. Sie widersetzen sich dabei den ihnen staatlicherseits gemachten Restriktionen und Schikanen wie der Residenzpflicht und akzeptieren die Verletzungen ihrer Menschenrechte nicht mehr.
Wir trauern um Mohammad Rahsepar und Samir Hashemi und sind bestürzt über die erneuten Selbstmordversuche von Majid und Mojtaba in Weiden. Die Schuld für den Tod und das Leid dieser jungen Menschen tragen andere.
Die bayrische Staatsministerin Frau Christine Haderthauer versprach am 4. April 2012 den protestierenden Flüchtlingen in Bayern, sich um die Lebensbedingungen in den Isolationslagern für Flüchtlinge zu kümmern, doch bis heute sind ihren Worten keine Taten gefolgt. Dieses Jahr trägt sie die Verantwortung für mindestens einen toten Menschen, und das sind nur die uns bekannten Informationen. Genauso tragen die Verantwortlichen in Niedersachsen und Baden-Württemberg die Verantwortung für die anderen Selbstmorde. Letztes Jahr sind wir Zeugen geworden, wie der Tod von Shambu Lama in Niedersachsen von den zuständigen Mitarbeitern der Ausländerbehörde provoziert wurde. Keine Person wurde zur Verantwortung gezogen. Niemand wird zur Verantwortung gezogen, solange wir alle schweigen.
Um dieses Schweigen zu brechen, um das Leiden Majid Dehghans und die lebenszerstörenden Bedingungen in den Lagern – in Weiden und anderswo - öffentlich zu machen und diese anzuklagen, rufen die Flüchtlinge aus Weiden zu einer Kundgebung am Freitag, den 27. 9. 2012, 9.45 Uhr vor der Ausländerbehörde (Dr.-Pfleger-Straße 15) in Weiden auf.
In Solidarität mit ihnen rufen wir alle Menschen in der hiesigen Gesellschaft auf, den Kampf der Flüchtlinge für ein freies Leben hier zu unterstützen und den Menschenrechtsverletzungen in Deutschland im Jahre 2012 zu begegnen. Benennt die Verantwortlichen und fordert Rechenschaft und unterstützt den Protestmarsch der Flüchtlinge nach Berlin und später in Berlin.
Macht deutlich, dass Kriegsexporte und wirtschaftliche Interventionen noch mehr Menschen zwingen, ihre Länder zu verlassen. Bevor man meint, die Menschenrechte am Hindukusch oder sonst irgend wo auf der Welt verteidigen zu müssen, sollten sie hierzulande erst einmal voll entfaltet werden.
KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, 27. September 2012
http://thecaravan.org/