Redebeitrag zur Abschiebehaft, Kundgebung gegen Abschiebung und Abschiebeknäste 06.08. Göttingen
Immer wieder wird ihre Haft verlängert, da die Ausländerbehörde es doch nicht schafft, die Personen abzuschieben, da Papiere fehlen, oder gerade keine Flieger in die Zielländer gehen, weil grad der Flughafen zerbombt ist. Für die Gefangen bedeutet dieses eine ständige Perspektivlosigkeit und Unsicherheit, da sie nie wissen was passiert. Sie könnten jeden Tag abgeschoben werden, oder sie müssen noch weitere 3Monate in Haft sitzen, um dann abgeschoben zu werden. Die alltägliche Ungewissheit und das zermürbende Warten nehmen die meisten Betroffenen als stark belastend wahr. Nicht selten kommt es innerhalb der Haft zu (re)Traumatisierung. Aus Furcht vor der bevorstehenden Abschiebung haben sich seit der faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993 mehr als 60 Menschen in deutschen Abschiebeknästen das Leben genommen. Die herrschende Abschiebepolitik hat diese und viele weitere Tote zu verantworten. Auch Jetmir drohte sich im Falle einer Abschiebung das Leben zu nehmen. Da nicht sichergestellt werden konnte, dass Jetmir das Zielland erreicht, ohne sich etwas anzutun, musste eine Flugbegleitung, d.h. Bundespolizei und Mediziner*in organisiert werden. Da dies nicht so schnell geht wurde die Abschiebung um eine Woche verschoben. Anstatt eine psychologische Betreuung sicher zu stellen, muss er bis zu seiner Abschiebung in der JVA Hannover-Langenhagen sitzen. Sein angedrohter Suizid wird ihm als Vereitelung seiner Abschiebung ausgelegt, wonach er in Haft genommen werden darf. Nach §62 AufenthG ist eine Ausreispflichtige Person in Abschiebehaft zu nehmen wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich seiner Abschiebung entziehen will. Im Haftbeschluß des Amtsgericht Hannover vom 02.08. heißt es „Es liegt ein Haftgrund nach §62 Abs. 2 Satz 1 Nr 5 vor, weil der begründete Verdacht besteht, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen will. Dies folgt aus der Gesamtschau seines bisherigen Verhaltens. Der Betroffene ist bereits im Jahre 2005 mit seiner Familie nach Schweden ausgereist, um sich der geplanten Abschiebung zu entziehen. Ein weiterer Abschiebeversuch im Jahre 2010 scheiterte, weil sich der Betroffene ins Kirchenasyl begab. […] Im Rahmen seiner Anhörung am 31.07.2012 vor dem Amtsgericht Göttingen hat er angegeben, nicht freiwillig ausreisen zu wollen. Der Betroffene ist ferner gegen die Abschiebung gerichtlich vorgegangen und hat versucht eine einstweilige Anordnung zu erwirken. Ferner hat er die für den 01.08.2012 vorgesehene Abschiebung vereiteilt, in dem er Suizid angekündigt hat. Das Gericht ist aus diesen Gründen von der Absicht des Betroffenen, sich der Abschiebung in das Kosovo zu entziehen überzeugt“. Das Gericht zeigt hier auf sehr eindrucksvolle Art und Weise sein Verständnis von Recht. Da Jetmir rechtliche Schritte gegen seine Abschiebung eingeleitet hat wird er in Abschiebehaft gesteckt. Haft als Sanktionierung, da er es gewagt hat als Mensch ohne deutschen Pass seine eigenen Rechte im deutschen Rechtssystem wahr zunehmen. Haft als Kriminalisierung seines psychischen Gesundheitszustands, der Folge jahrelanger rassistischer Praxis des Aufenthaltsgesetzes ist. So wird Jetmir nicht nur zum Vorwurf gemacht sich seiner Abschiebung entziehen zu wollen, sondern auch jegliche Bemühungen in Deutschland zu bleiben, um seine kranken Eltern pflegen zu können werden sanktioniert. Schon allein die Tatsache, dass er sich allein um seine kranken Eltern kümmern muss entkräftigt den Verdacht, dass er untertauchen wird. Somit ist die Begründung für die Abschiebehaft hinfällig und der Haftbeschluss rechtswidrig. Nach den Aussagen eines Anwaltes in Hannover, der sich auf Abschiebehaft spezialisiert hat, sind ca. 2/3 aller Haftbeschlüsse in Abschiebehaftsachen rechtswidrig. Da den Abschiebegefangenen aber keine Pflichtverteidigung, wie in der U-Haft üblich, zur Seite steht, können sie sich nicht dagegen wehren. Aber unsere Kritik darf nicht bei den Haftgründen und den Haftbedingungen enden. Abschiebeknäste sind Ausdruck einer rassistischen Politik gegenüber Flüchtlingen und Migrant*innen. Sie stellen sicher, dass Menschen die aus Angst und Not in die BRD geflohen sind, gegen ihren Willen in Elend, Folter und Tod abgeschoben werden. Abschiebehaft gehört ersatzlos abgeschafft! Abschiebungen müssen verhindert werden und die Betroffen müssen ein bedingungsloses Bleiberecht bekommen! Allerdings werden wir uns dabei kaum auf die Versprechungen von Politik und Verwaltung verlassen können. So haben die Grünen und die SPD in NRW angekündigt die Haftbedingungen im Abschiebgefängnis Büren stark zu verbessern. Herausgekommen ist ein Koalitionsvertrag, der im endeffekt besagt, dass man sich in Zukunft an geltende Gesetzte halten will. Bleiberecht wird weiterhin von Selbstorganierten Strukturen erkämpft werden müssen. Das Kirchenasyl im Jahr 2010 in ein gutes Beispiel dafür, dass es möglich ist, gegen die Überzeugung, dass es keinen anderen Weg als Abschiebung gäbe gelebte Solidarität zu setzten und diese auch oft zum Erfolg führen kann. Wir würden uns auch freuen, wenn ihr zusammen mit uns am 08.September nach Büren fahrt. Dort steht mit bis zu 300Haftplätzen Deutschlands größter Abschiebknast. Wir werden durch Büren demonstrieren, damit die Bürener Bevölkerung nicht weiterhin so tun könnten als wüssten sie nicht, was dort mitten im Wald bei ihnen passiert. http://schlussdamit.blogsport.de/ Alle Abschiebeknäste schließen! Jetmir ist freizulassen! Seine Familie braucht ihn! Bedingungsloses Bleiberecht und globale Bewegungsfreiheit für alle Menschen!