Tradition des Wegschauens

Tradition des Wegschauens

Am 09.05.2012 wurden im niedersächsischen Landtag während einer aktuellen Stunde erste Eindrücke und Meinungen zur Kosovoreise diskutiert. Es zeichnet sich die Verhärtung von zwei Fronten ab. Wobei eine Seite die Abschiebungen stoppen will, die andere weiter abschieben will.

Von Seite der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der SPD wurden gut argumentierte, emotionale und auch zornige Redebeiträge abgegeben, die sich allesamt für den Stopp der Abschiebungen von Roma nach Kosovo richteten. Die Vertreterinnen dieser Parteien waren vor Ort im Kosovo auch diejenigen, die besonders genau hinsahen und sich nicht scheuten viele kritische Fragen zu stellen. Von Seiten der FDP wurde die Situation optimistischer eingeschätzt. Hier wurden ganz klar Missstände wahrgenommen, die aus dem Weg geräumt gehören. So müsse die Reintegrationshilfe effizienter werden und auch die aktuelle Flüchtlings und Ausländerpolitik sollte überarbeitet werden. Eine Notwendigkeit Abschiebungen von Roma generell zu stoppen wurde aber nicht erkannt. Bei der CDU sah man hingegen die Anstrengungen der kosovarischen Regierung im Vordergrund und bewertete diese auch als gut und ausreichend, wenn „diese denn angenommen werden“. Man ging gar so weit, einer besuchten abgeschobenen Familie vorzuwerfen, diese habe absichtlich keine Hilfen angenommen, da sie sich durch die dadurch erzeugte erbarmungswürdige Situation eine Rückkehr nach Deutschland durchzusetzen erhoffte. Dies wiederspricht unseren Erfahrungen, dass abgeschobene Familien meist um Unterstützung kämpfen müssen, die ihnen eigentlich zustehen, und am Ende nichts oder nur einen Teil tatsächlich bekommen. Innenminister Schünemann ging sogar noch weiter, indem er von einem ihm bekannten Fall berichte, in dem ein abgeschobener Familienvater zunächst einen angebotenen Job annahm, diesen aber nach sechs Monaten aufgab um als Schrottsammler sein Geld zu verdienen. Oben drein habe dieser Mann von da an auch seine Kinder nichtmehr zur Schule geschickt, da diese von da an beim Schrottsammeln helfen sollten. Diese Darstellungsweise verkehrt die Tatsache, dass die Jobangebote, die im Rahmen der Reintegrationsstrategien durch Zahlungen an den Arbeitgeber gefördert werden, nach sechs Monaten enden und dann in der Regel die Arbeitnehmer ihren Job wieder verlieren, ins Gegenteil. Schlimmer noch, verhöhnt sie den so in existenzielle Not geratenen Familienvater mit billigsten antiziganistischen Klischees. Diese Klischees scheinen leider in den Köpfen vieler CDU Parteimitglieder tief zu sitzen, so dass ein Hinterfragen nicht ansatzweise stattfindet. Traurigerweise waren es auch diese Delegationsteilnehmer, die sich beispielsweise in dem Romaelendsquartier in Plemetina nicht aus dem Bus trauten, um mit einer interessierten kleinen Gruppe eine dort lebende aus Niedersachsen abgeschobene Familie zu besuchen. Wer sich weigert hinzuschauen kann natürlich auch keine Probleme entdecken… Jetzt liegt es an uns allen diese Politiker darauf hin zu weisen, dass wir es nicht gut heißen wenn sie Entscheidungen treffen über Menschenleben und dabei nicht einmal wissen, was sie tun, weil sie sich weigern sich unvoreingenommen zu informieren.

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