Freiheit statt Frontex – Bericht von einer Recherche- und Kontaktreise nach Tunesien | Theaterkeller | 19.3o Uhr
Donnerstag, 9. Juni: Freiheit statt Frontex – Bericht von einer Recherche- und Kontaktreise nach Tunesien
Im Mai 2011 machten sich Aktivist_innen der drei Netzwerke »Welcome to Europe«, »Afrique-Europe-Interact« und »kritische Migrations- und Grenzregimeforschung« auf den Weg nach Tunesien, um vor Ort die Möglichkeiten transnationaler Solidarität und
Zusammenarbeitauszuloten.
Bernd Kasparek (kritnet) war mit der Reisegruppe im Mai in Tunesien, besuchte Flüchtlingslager und traf sich mit tunesischen Aktivist_innen.
Durch die Aufstände in den nordafrikanischen Ländern ist auch das Grenzregime der Europäischen Union (EU) wieder in den Fokus der Politik und der Öffentlichkeit gerückt. Menschenrechtsgruppen zufolge sind alleine im April mehr als 1000 Menschen bei der Überfahrt nach Europa im Meer ertrunken. Anstatt diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, nach Europa einzureisen und so die den demokratischen Bewegungen zugesicherte Unterstützung nun auch praktisch werden lassen, verhandeln die EU-Staaten aktuell neue Systeme aus, um die Grenzen weiterhin für unerwünschte Migranten unüberwindbar zu machen. Mehrere Staaten (z.B. Frankreich, Dänemark) haben innereuropäische Grenzkontrollen wieder eingeführt. Obwohl bisher gerade mal 35.000 Menschen aus Tunesien und Libyen nach Europa gekommen sind (0,007% der EU-Bevölkerung), wird in gewohnt rassistischer Manier eine „gefährliche Flutwelle“ beschworen. Die Selbstdarstellung Europas als Hort der Demokratie und Menschenrechte wird hier erneut ad absurdum geführt.
Mittlerweile wird auch die Situation in den nordafrikanischen Flüchtlingslagern immer angespannter. Ende Mai protestierten mehrere hundert Insassen des Flüchtlingslagers Choucha an der tunesisch-libyschen Grenze mit einer Straßenblockade gegen die menschenverachtende Unterbringung und das EU-Grenzregime. Kurz darauf griff ein Mob aus dem nahe gelegen Dorf Ben Guardane das Lager an, machte Jagd auf die die Flüchtlinge und steckte Zelte in Brand. Das Militär hatte gleichzeitig das Lager umstellt und schoss auf die Flüchtenden. Mehrere Menschen starben bei den Ausschreitungen. Hilfsorganisationen der UNO und des Roten Kreuzes hatten bereits am Vorabend das Camp verlassen. Die Verhältnisse in Choucha sind auch eine Folge der Migrationspolitik der EU, denn der Großteil der Insassen kam ins Lager, weil ihre Boote auf dem Mittelmeer gesunken waren.
Bernd Kasparek war mit der Reisegruppe im Mai in Tunesien, besuchte Flüchtlingslager und traf sich mit tunesischen Aktivist_innen. Er wird von seinen Eindrücken berichten. Mehr Infos zu der Reise unter:
afrique-europe-interact.net
Netzwerk Kritische Migrations- und Grenzregimeforschung