Redebeitrag Büren-Demo 2010

Dokumentation des Redebeitrags des Göttinger Bündnisses gegen Abschiebungen, gehalten vor dem Abschiebeknast Büren am 25.09.2010 Im Namen des Göttinger Bündnisses gegen Abschiebungen begrüße ich euch alle zu dieser Demonstration. Besonders grüße ich alle Menschen, die in Abschiebehaft sitzen. Ich hoffe, dass sie alle uns hören können! Wir stehen heute hier, um gegen Abschiebehaft, die Abschiebepolitik als ganzes und gegen die tödliche Migrationspolitik zu demonstrieren. Auch dieses Jahr wieder haben mehrere Abschiebehäftlinge - wie es auf deutsch heißt -: "sich das Leben genommen": aus Verzweiflung und Angst heraus und auch als Reaktion auf die restriktiven Haftbedingungen, in denen sie leben. Wir fragen: WER hat ihnen das Leben genommen? Im April dieses Jahres erhängte sich die 34 jährige Indonesierin Yeni mit einem Gürtel in der JVA Hamburg. Sie war inhaftiert, wegen eines angeblichen "Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz". Dies ist in den Augen der Hamburger Behörden ein Verbrechen. Bereits am 7. März 2010 tötete sich David, ein junger Flüchtling, ebenfalls in der Hamburger Abschiebehaft. Diese Tode in den Knästen sagen viel über die deutsche Abschiebepolitik aus. Das, was durch dieses Sterben ausgedrückt wird, zu hören, ist wichtig. Denn Menschen wie Yeni und David können nicht mehr für sich selbst sprechen. Jährlich sterben Tausende Menschen an den europäischen Außengrenzen bei ihrem Versuch, die Grenze zu passieren. Es ist eine alltägliche Tragödie, die hierzulande weitgehend ignoriert wird und sich daher fast unbemerkt an vielen Orten gleichzeitig vollzieht: an den Ostgrenzen, auf den Meeren zwischen Westafrika und den Kanarischen Inseln, zwischen Nordafrika und Malta oder Italien und auch zwischen der Türkei und Griechenland. Niemand kennt genau die tatsächliche Zahl der Menschenleben, die die europäische Migrationspolitik bereits gekostet hat. Die Regierungen der EU-Staaten versuchen mit immer neuen Maßnahmen, Migration zu kontrollieren und Fluchtwege zu zerstören. Ein Instrument ist die Intensivierung der Kontrollen auf See und aus der Luft durch die Grenzschutzagentur Frontex. Ergänzt wird diese Abschottungspolitik durch ein System von Rückführungsabkommen, die es z.B. mit dem Senegal, Algerien, Tunesien, Marokko und Libyen gibt. Das bedeutet für die Flüchtlinge: Wenn sie über diese Länder in die EU einzureisen versuchen, werden sie unverzüglich zurücktransportiert. Ihnen wird der Anspruch auf einen Asylantrag verwehrt. Sie werden zu Tausenden festgenommen, misshandelt und in die Nachbarländer abgeschoben oder ohne Verpflegung an den Grenzen ausgesetzt. An den Außengrenzen lauert Frontex und der Tod. Im Inland werden MigrantInnen kontrolliert, drangsaliert, in Abschiebehaft gesteckt und der Rassismus geschürt. So werden Flüchtlinge zur Bedrohung erklärt. So wird ein militärisches Vorgehen gegen Menschen legitimiert, die in ihrer höchsten Not Schutz in einem anderen Land suchen. Die Festung Europa bestimmt dabei das Feindbild und führt ihren Krieg gegen unerwünschte Menschen weltweit. Sarkozy und Sarrazin sind keine Zufälle, sondern Ausdruck und Repräsentanten eines Systems. Frankreich ist nicht Deutschland, aber beide Staaten verfolgen ein bestimmtes gemeinsames Interesse, und zwar: die Kontrolle der Migration. Zuwanderung soll kontrolliert werden - mal nach völkischen Kriterien, mal nach Kriterien der Nützlichkeit. MigrantInnen sollen das Objekt von Herrschenden bleiben, Unerwünschte mit allen Mitteln abgeschoben werden. Politiker wie Sarkozy oder Sarrazin wissen, wie sie mit rassistischen Äußerungen die Ängste von BürgerInnen vor einem Verlust ihres Wohlstandes mobilisieren und benutzen können. Migrantinnen und Migranten, die z. T. seit Jahrzehnten hier leben, werden so erneut zu "Fremden" gemacht. Wieder sind sie dann unmittelbar davon bedroht, Opfer eines Rassismus zu werden, die direkt von staatlichen Institutionen ausgeübt wird. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise benötigen die Herrschenden Ablenkungsmanöver, um von den wahren Ursachen für Sozialabbau, Krise und Krieg abzulenken: Probleme werden ethnisiert. Aus Klassenfragen werden so "Rassenfragen" gemacht. Sicherlich, diese repressive Techniken sind kein abgeschlossener Prozeß, wir können sie blockieren: Praktisch, Schritt für Schritt, Tag für Tag. Antirassistischer Widerstand heißt, diese Logik zu untergraben. Es liegt auch mit an uns, ob wir in einer Welt leben, die von Ausgrenzung, Krieg und Spaltung und Rassismus geprägt ist - oder von Solidarität, Sympathie und Menschlichkeit. Wir fordern die Freilassung aller Menschen aus den Abschiebelagern und -knästen! Für die globale Bewegungsfreiheit! Grenzen auf für alle!

nolager: