Pressemitteilung 29.01.2010 // Landkreis Göttingen leitet Abschiebung ein; Spontandemonstration

Nachfolgend eine Pressemitteilung des Arbeitskreis Asyl Göttingen vom 29.01.2010: Der Landkreis Göttingen hat am heutigen Freitag die Verlängerung der Duldung des 25-jährigen Sead B. aus Duderstadt verweigert. Die Duldung der Person läuft nun übermorgen am 31. Januar ab. Die Ausländerbehörde stellte ein Dokument aus, wonach die Abschiebung in das Kosovo eingeleitet sei. Der Behördengang der betroffenen Person wurde von 25 UnterstützerInnen begleitet. Die MitarbeiterInnen des AusländerInnenamts behaupteten, es sei ihnen nicht möglich die Duldung zu verlängern. Die AbschiebegegnerInnen sprachen daraufhin auch mit Landrat Schermann und forderten den Abbruch der eingeleiteten Abschiebung sowie die Verlängerung der Duldung. Auch dieser wies jedwede Handlungsmöglichkeit zu Gunsten der geduldeten Personen zurück und behauptete, den kommunalen Behörden seien die Hände gebunden. Vielmehr sei eine Verlängerung der Duldung ein "Rechtsbruch", er sei vom Innenministerium angewiesen, die Duldungen der zur Abschiebung vorgemerkten Personen nicht zu verlängern. Sich gegen diese Erlasslage zu widersetzen, stelle eine "Straftat" dar. Die drohende Abschiebung ist Teil der "Rückführung" von Flüchtlingen, die im Zuge des Kosovokonfliktes nach Deutschland gekommen sind. Stadt und Landkreis Göttingen hatten Ende letzten Jahres zunächst 64 Personen für die Abschiebung angemeldet. Dass die kommunalen Stellen nun behaupten, keine Verantwortung für die entstandene Situation zu haben, geht somit an der Realität vorbei. Vergangenen September konnte sich der Kreistag des Landkreises nicht einmal auf eine Resolution gegen die geplanten Abschiebungen einigen. Sead B. ist seit 1999 in Deutschland. Während der gesamten Zeit lebte er im höchst unsicheren Rechtsstatus der Duldung und fiel somit unter die Regelung der sogenannten Residenzpflicht. Das bedeutet, Sead B. war es über den gesamten Zeitraum nicht gestattet, den Landkreis Göttingen ohne Erlaubnis zu verlassen. Darüberhinaus wurde Sead ein Umzug von Duderstadt nach Göttingen, wo er eine Arbeitsstelle im Klinikum hatte, verweigert. Die sogenannte Bleiberechtsregelung kam für ihn nicht in Betracht, da er drei Mal in zehn Jahren beim Verstoß gegen die Residenzpflicht aufgegriffen und daher als "Straftäter" verurteilt wurde. Zudem verlor er 2009 seine Arbeitsstelle, nachdem er - durch den Zwang bei der weiten Anfahrt zur Arbeitsstelle die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen - zwei mal verspätet erschienen war. Seither blieb die Bemühung um eine neue Arbeitsstelle trotz unzähliger Bewerbungen ohne Erfolg. ArbeitgeberInnen begründeten ihre Ablehnung mit der Tatsache, dass Sead B. jederzeit abgeschoben werden könne. Überdies sind die Möglichkeiten einer Beschäftigung aufgrund der örtlichen Begrenzung auf den Landkreis Göttingen stark eingeschränkt. Der Vater der Familie, Fadil B., hat bereits einen abgebrochenen Abschiebeversuch hinter sich: Am 9. Dezember letzten Jahres wurde er zusammen mit einer Tochter zum Frankfurter Flughafen gebracht. Damals konnte der Anwalt der Familie mit einem Eilantrag erreichen, dass die Abschiebung mit Rücksicht auf den Zusammenhalt der Familie zunächst ausgesetzt wurde, da die Mutter aus gesundheitlichen Gründen nicht "reise"-fähig war. Nach der Behördenbegleitung am heutigen Freitag verließen die UnterstützerInnen Seads das Landkreisgebäude, nachdem dieser aufgebrochen war, um seinen Rechtsanwalt aufzusuchen. Es formierte sich eine spontane Demonstration gegen Abschiebung und für ein bedingungsloses Bleiberecht für alle. Etwa 50 TeilnehmerInnen schlossen sich dem lautstarken Protestzug in die Innenstadt an. Der Arbeitskreis Asyl verurteilt die menschenverachtende Praxis der Abschiebungen. Alle Menschen sollen leben dürfen, wo immer sie möchten. Die rassistische Sondergesetzgebung für AsylbewerberInnen und Geduldete muss abgeschafft werden. Das Recht auf Bewegungsfreiheit muss für alle Menschen gelten. Zudem werden alle GöttingerInnen aufgefordert, sich mit aller Kraft für den Verbleib der von Abschiebung bedrohten Personen in Göttingen einzusetzen, die Proteste zu unterstützen und sich von den Diskreditierungsversuchen der Strafverfolgungsbehörden nicht einschüchtern zu lassen. Die MedienvertreterInnen fordern wir zu einer kritischen, nicht vorverurteilenden Berichterstattung auf.

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