21.11.06 // Streikinfo Nr. 5 : Boykott in Bramsche ** Stadtrat Oldenburg unterstützt Forderungen des Streiks in Blankenburg
Streikinfo Nr. 5
Die Auseinandersetzungen um das Niedersächsische Lagersystem gehen weiter - seit gestern bzw. heute ist zusätzlich Fahrt in die Angelegenheit gekommen:
1. Gestern hat der Rat der Stadt Oldenburg einstimmig (!) eine Resolution zu den Protesten im 7 Kilometer von Oldenburg entfernten Ein- und Ausreiselager Blankenburg angenommen (nachdem es dort im Oktober zu einem 4-wöchigen Streik sowie etlichen Aktionen gekommen war). In der Resolution heißt es unter anderem: "Die niedersächsische Landesregierung wird aufgefordert, die vorgebrachten Kritikpunkte der BewohnerInnen und Bewohner der ZAAB Blankenburg ernsthaft und intensiv zu prüfen und Lösungsvorschläge zu entwickeln. Vor allem die zentrale Unterbringung muss überdacht werden und als Alternative eine dezentrale Unterbringung geprüft werden. Auch das bürokratische Wertgutscheinsystem sollte abgeschafft werden." Erstaunlich an diesen Formulierungen ist insbesondere, dass sie selbst von der CDU unterstützt werden, stellt sich diese doch hierdurch ausdrücklich gegen die Landes-CDU und damit den als Hardliner einschlägig bekannten Innenminister Schünemann.
Was aus der Resolution konkret wird, bleibt abzuwarten. Klar ist nur, dass es neben weiteren Aktionen auch Gespräche mit den Parteien, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden etc. geben soll - nicht zuletzt im Anschluss an die Resolution. Wir werden dazu demnächst genaueres berichten, und natürlich auch dazu, wie aus unserer Sicht die Resolution politisch einzuordnen ist (einschließlich weiterer Gesprächsinitiativen, Komissionen etc., die derzeit in Oldenburg von unterschiedlicher Seite an den Start gefahren werden).
2. Mindestens genauso wichtig wie dieser (symbolische) Teilerfolg in der regionalen Politik dürfte aber auch die Tatsache sein, dass die Flüchtlinge im Abschiebelager Bramsche seit heute in den unbefristeten Kantinenstreik getreten sind - nachdem es bereits letzte Woche einen ersten Warnstreik gegeben hatte (zur Erinnerung: formell ist Bramsche eine Außenstelle von Blankenburg, in beiden Lagern leben offiziell ca. 500 Flüchtlinge). Spätestens jetzt dürfte deutlich sein, dass es bei den Streiks in Blankenburg und Bramsche um nicht weniger als die (Niedersächsische) Lagerpolitik insgesamt geht! Was es mit dem Streik in Bramsche genau auf sich hat, könnt ihr der beiliegenden Presseerklärung entnehmen, doch zunächst müssen wir das in Erinnerung rufen, was bereits beim Blankenburger Streik gegolten hat: Kein Streik ohne Streikkasse!!! Spenden sind deshalb dringend erbeten. Es wird auch ein Konto in Osnabrück geben, doch vorerst können die Spenden weiterhin auf das Streikkonto in
Oldenburg überwiesen werden: Arbeitskreis Dritte Welt e.V., Konto-Nr. 015 131 337, BLZ 280 501 00, LZO, Verwendungszweck: Aktionstage
Hier kommt jetzt noch die Presseerklärung zum heutigen Streikbeginn in Bramsche - bitte achtet auf weitere Ankündigungen, spätestens am Freitag oder Samstag soll es auch Aktionen geben:
Kantinenboykott im Flüchtlingslager Bramsche-Hesepe - Flüchtlinge fordern humane Unterbringung
Bewohner und BewohnerInnen des Flüchtlingslagers (ZAAB) Bramsche-Hesepe treten seit heute einen unbefristeten Boykott des Kantinenessens an. Sie schließen sich damit den Forderungen an, die während des Streiks der Flüchtlinge in der ZAAB Oldenburg erhoben wurden und verweisen darauf, daß Bramsche eine Außenstelle der ZAAB Oldenburg ist. Mit dem Boykott in Bramsche-Hesepe fordern die Flüchtlinge, daß die Außenstelle in die Gespräche, die nach dem Streik in Oldenburg angekündigt wurden, mit einbezogen wird. Zumal sich die Lebensbedingungen in beiden Lagern sehr ähnlich sind.
Für Bramsche kommt hinzu, daß hier auch Kinder leben müssen, wodurch sich die Situation, was die Ernährung durch das Kantinenessen angeht, noch einmal erschwert. Als Eltern fühlen sich die Flüchtlinge dafür verantwortlich, daß ihre Kinder gesund aufwachsen. Das betrifft auch die Schwierigkeiten bei der medizinischen Versorgung. Flüchtlinge haben nicht das Recht auf freie Arztwahl und ärztliche Verordnungen werden häufig von der Sozialstation verweigert.
Zudem weisen die BewohnerInnen darauf hin, daß die schulische Versorgung für die Kinder unbefriedigend ist. Sie klagen immer wieder darüber, daß sie in der lagereigenen Schule nicht richtig lernen können. Bei Krankheit eines Lehrers fällt der Unterricht ganz aus.
Für die Familien ist die Wohnsituation insgesamt schwierig. Fünf- bis sechsköpfige Familien müssen sich einen gemeinsamen Raum teilen. Die Eltern haben keinen Raum für eine Privatsphäre und auch für Jugendliche und Heranwachsende ergeben sich große Probleme, wenn sie keinen getrennten Raum für sich zur Verfügung haben.
Am Mittwoch, den 8. November, wurde in dem Lager ein Warnstreik durchgeführt, um diese Zusammenhänge deutlich zu machen. Mit dem heutigen Tag treten die Flüchtlinge in einen unbefristeten Streik, was bedeutet, daß sie nicht mehr in der Kantine essen werden. Mit diesem Streik soll erreicht werden, daß Gespräche mit den Verantwortlichen über die Lebensbedingungen im Lager stattfinden. Der größte Wunsch der Flüchtlinge ist, in eigenen Wohnungen leben zu können, mit einem Alltag, wie ihn alle Menschen in diesem Land haben. Zumindest aber müssen die Bedingungen in dem Lager verbessert werden.
Bereits im März dieses Jahres haben die BewohnerInnen des Lagers einen Brief dem Innenministerium und Vertretern und Vertreterinnen des Landtages überbracht. Es sind dem weder Gespräche oder Taten gefolgt, die die Situation geändert hätten.
Forderungen:
« ernsthafte Gespräche, in denen es nicht nur um Rechtfertigungen geht, sondern darum, daß die in dem Lager zwangsuntergebrachten Menschen im Rahmen der Möglichkeiten menschenwürdig leben wollen
« Schließung der Kantine, stattdessen die selbstständige Versorgung mit Lebensmitteln und die Möglichkeit, Essen selbst zuzubereiten
« Schließung der Lagerschule, stattdessen der Besuch aller Kinder von Regelschulen mit entsprechenden sinnvollen Förderprogrammen
« angemessene medizinische Versorgung, was bedeutet: freie Arztwahl, Gewährung von medizinischen Leistungen, die ärztlicherseits verordnet werden