12.10.06 // Neue Entwicklungen in Blankenburg - 8. Tag des Streiks!!

Der Streik der Flüchtlinge in Oldenburg/Blankenburg dauert nun schon über eine Woche. Konstruktive Gespräche, um die Situation zu beenden, gab es bisher mit der Lagerleitung nicht. Im Gegenteil, Lagerleiter Lüttgau kündigte an, daß er gewillt sei, den Streik mit repressiven Methoden zu beenden. Am Mittwoch, den 11. Oktober schien sich dafür für ihn eine Gelegenheit zu bieten, es kam zu einem gewalttätigen Polizeieinsatz auf dem Lagergelände. Die Streikenden befanden sich vor dem Eingang der Kantine, als um 11 Uhr 30 ein Flüchtling in der Kantine essen gehen wollte. Er wurde daraufhin angesprochen, warum er sich nicht am Streik beteiligt und darauf hingewiesen, daß es Lebensmittelunterstützung von außen gibt. Es entbrannte eine heftige Diskussion, in deren Verlauf das Essen des Flüchtlings umgekippt wurde. Daraufhin kamen vier Mitarbeiter der Ausländerbehörde hinzu und fingen an, über das Kantinenessen zu diskutieren, mit Argumenten wie: wenn euch das Essen hier nicht schmeckt, dann geht doch nach Hause. Die Streikenden betonten noch einmal, daß es ihr Recht sei, selbst zu kochen und daß sie Geldmittel forderten. Gegen 12 Uhr kam die Polizei mit ca. 20 Einsatzwagen und Hunden. Sie forderten alle auf, in ihre Zimmer zu gehen, was die meisten auch taten. Ein Flüchtling weigerte sich jedoch, indem er sagte, er wohne schließlich in Blankenburg und er hätte das Recht, sich überall im Lager aufzuhalten. Daraufhin wurde er von der Polizei aufgefordert mitzukommen, was er wiederum nicht einsehen konnte, weshalb er der Aufforderung nicht nachkam. Er betonte, daß er schließlich nichts Strafbares gemacht habe, stattdessen nur seine und die Rechte der anderen BewohnerInnen einfordern würde. Die Polizei wollte den Flüchtling mit Gewalt mitnehmen, woraufhin dieser anfing zu schreien und sich zu wehren. Er wand sich aus seiner Kleidung heraus, um fliehen zu können. Ca. 10 Polizisten versuchten den wenig bekleideten Mann zu fesseln und zu einem Polizeiwagen zu bringen. Der Flüchtling wehrte sich weiter und hielt sich an der Tür des Polizeiwagens fest, woraufhin er mit Schlagstöcken geschlagen wurde, an Händen und Füßen gefesselt und dann in den Wagen gezerrt wurde. Die beiden Personen, die in die Auseinandersetzung über das Essen verwickelt waren, wurden ebenfalls festgenommen. Von weiteren Personen wurde der Ausweis kopiert. Da in diesen Lagerausweis bei jedem Besuch der Kantine ein Stempel gemacht wird, lassen sich Flüchtlinge, die das Essen in der Kantine verweigern anhand dieses Ausweises ausmachen. Laut Polizeibericht wurde die Person, die von der Polizei geschlagen wurde, in das Lager nach Bramsche-Hesepe gebracht und eine weitere Person in das Lager nach Braunschweig. Als weitere repressive Maßnahmen gegen den Streik finden gehäufte nächtliche Botschaftsvorführungen von aktiven Flüchtlingen statt. Für heute, Donnerstag, den 12. Oktober ist geplant, daß Flüchtlinge gemeinsam mit UnterstützerInnen verschiedene Institutionen und Organisationen in Oldenburg aufsuchen, um auch dort ihre Forderungen vorzubringen und um Unterstützung des Streiks zu bitten. Für Freitag, den 13. Oktober ist eine weitere Demonstration in Oldenburg geplant. Treffpunkt ist der Hauptbahnhof um 16 Uhr. Hintergrundinformationen: Der Streik setzt an konkreten Forderungen an, die sich gegen das Sachleistungsprinzip des „Asylbewerberleistungsgesetzes“ wenden. Gefordert wird, Geldleistungen statt Sachleistungen zu erhalten. In vielen Bundesländern wird schon vorwiegend Geld statt Sachleistungen an die AsylbewerberInnen ausgezahlt. So wurden in Mecklenburg-Vorpommern in einigen Lagern die Kantinen abgeschafft und Geldleistungen ausgezahlt, damit sich die Flüchtlinge selber mit Lebensmitteln versorgen können. Dies ist kein Einzelfall, auch in Hamburg, Bremen, Hessen Sachsen-Anhalt, Berlin, Schleswig-Holstein, Nordrhein Westfalen und Rheinland-Pfalz werden überwiegend Geldleistungen statt Sachleistungen ausgezahlt. In Niedersachsen wird seit 2000 eine Politik betrieben, in der Flüchtlinge möglichst nur noch in Lagern leben sollen. So wurde seitdem die Umverteilung in dezentrale Wohnheime und Wohnungen weitgehend eingeschränkt. Umverteilungen finden hauptsächlich zwischen den drei großen Lagern statt, diese sind ZAAB Braunschweig, ZAAB Oldenburg und das Lager Bramsche-Hesepe. Von der ZAAB Oldenburg aus werden die Flüchtlinge in das Außenlager Bramsche-Hesepe verlegt. Dieses Lager ist ein Modellprojekt. Im neuen Zuwanderungsgesetz werden solche Lager zynischerweise als „Ausreisezentren“ bezeichnet. Der Begriff brachte es 2003 schon einmal auf Platz 2 als Unwort des Jahres. Sprachlich korrekter kann man solche Lager nach ihrer Zweckbestimmung als Abschiebelager bezeichnen. Offiziell werden dort Flüchtlinge eingewiesen, deren Antrag auf Asyl seitens der Behördeneinschätzung nur geringe Aussichten auf Erfolg hat. Bei 0,9 % Anerkennungsquote für AsylbewerberInnen im Jahr 2005 kann das praktisch jeder sein. Das Lager hat die Aufgabe Druck auf die Menschen auszuüben, damit sie möglichst schnell freiwillig in ihr Herkunftsland ausreisen. Nach der offiziellen Darstellung soll Flüchtlingen geholfen werden „freiwillig auszureisen“. Die Methoden aus Bramsche werden aber auch zunehmend in der ZAAB Oldenburg und Braunschweig angewandt. Innenminister Schünemann setzt darauf, daß Flüchtlinge in Lagern besser zu kontrollieren sind und ihre erzwungene Ausreise leichter durchzusetzen ist. Er wendet sich dezidiert gegen die dezentrale Umverteilung in die Gemeinden, obwohl die Kosten für die Unterbringung hier nur die Hälfte der Kosten ausmacht, die eine Lagereinrichtung verschlingt. Bei einer offiziellen Anfrage der Grünen im Niedersächsischen Landtag nach den Kosten der Lagerunterbringung werden die Ausgaben für dezentrale Unterbringung in den Gemeinden auf 4270 Euro pro Jahr berechnet. Die Kosten für eine Lagerunterbringung betragen pro Jahr 9662 Euro. Die Mehrkosten rechtfertigt der Innenminister mit der Effizienz der Lager in Punkto Rückführungen. (Quelle: http://www.mi.niedersachsen.de/master/C26319126_L20_D0_I522_h1.html ) Eine Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft ist nicht vorgesehen, stattdessen hat die Lagerpolitik das erklärte Ziel Menschen zu isolieren und einen verfestigten Aufenthaltsstatus zu verhindern. Schünemann erklärt dazu: „(Es) müsse eine faktische Verfestigung des Aufenthaltes der weit überwiegenden Zahl der Betroffenen verhindert werden. Dies könne am besten in einer zentralen Landeseinrichtung erreicht werden.“ (Quelle: http://www.mi.niedersachsen.de/master/C7419695_L20_D0_I522_h1.html) Die Rückkehrförderung steht im Zentrum der Landespolitik. Die Bedingungen im Lager sind an dieser Politik ausgerichtet. Vergünstigungen für Flüchtlinge gibt es nur, wenn sie nach abgelehntem Asylantrag oder sogar vor der Ablehnung ihren Antrag zurückziehen und in die „Freiwillige Rückkehr“ einwilligen. Um dieses Ziel zu erreichen wird durch die Lagerverwaltung ein großer psychischer Druck gegenüber den Flüchtlingen aufgebaut. Hierzu gehören häufige Interviews, Botschaftsvorführungen, Streichungen des Taschengeldes, schlechte Lebensbedingungen, minderwertiges Essen, sowie unzureichende medizinische Versorgung und eine Abhängigkeit von bürokratischen Verwaltungsbehörden, die jegliche Perspektive einen verfestigten Aufenthaltsstatus zu erlangen zu verhindern trachten. Eine wirkliche „freiwillige“ Entscheidung der Flüchtlinge würde Alternativen voraussetzen, die einzige Möglichkeit, die den Flüchtlingen im Lager bleiben soll, ist die durch das Lagerpersonal zielgerichtete und forcierte Ausreise. Für Flüchtlinge wird in den Lagern ein Klima der existenziellen Ausweglosigkeit geschaffen. Dies führt dazu, daß Flüchtlinge in die Illegalität abtauchen und so kriminalisiert werden. Die Politik nimmt diesen Prozeß der Entrechtung billigend in Kauf, weil die Flüchtlinge dann dem Sozialsystem nicht mehr zur Last fallen. Neben der Illegalität und der freiwilligen Ausreise werden Flüchtlinge aus den Lagern auch immer wieder zwangsweise abgeschoben. Gegen diese kalkulierte Verschlechterung ihrer Lebenssituation und die Alternativlosigkeit des Lagerlebens sind die Flüchtlinge in der ZAAB Oldenburg/Blankenburg in den Streik getreten. Sie wehren sich gegen eine Asyl- und Lagerpolitik, die ihnen systematisch ihre Lebensperspektiven nimmt. Wir fordern die Abschaffung des Lagersystems Wir rufen alle auf Nahrungsmittel zu spenden und diese im Kulturzentrum Alhambra in Oldenburg abzugeben (Hermannstraße 83; 26135 Oldenburg) Die Nächste Demonstration ist am Freitag, 13. Oktober, 16 Uhr Hbf. Solidarität erwünscht!!! Kontakt: Info-Telefon: 0160/96857380. Kontakt: antira-ol@web.de Für Geldspenden haben wir ein Spendenkonto: Arbeitskreis Dritte Welt e.V. Kto-Nr. 015 131337 BLZ 28050100, LZO Verwendungszweck: Aktionstage Für weitere Informationen: www.alhambra.de/nolager www.nolager.de http://papiere-fuer-alle.org/blankenburg