Unsere Einheit heißt Solidarität - Lampedusa - Stoppt das Sterben!! | Our „Unity“ is solidarity. Lampedusa – stop the killings

English version below!

Unsere „Einheit“ heißt Solidarität!

 Lampedusa – Stoppt das Sterben!

 

Aufruf des Göttinger Lampedusa -  Bündnisses zur

Demo und Kundgebung am 02.10.2014, 17:30, Gändesliesel, Gö

 

In den letzten Jahren wurden wir Zeug_innen einer europäischen Finanzkrise, die sich massiv zu einer Krise des europäischen Grenzsystems ausgewachsen hat. Physisch spiegelt sich diese, sichtbar, an den äußeren Grenzen und Ländern Europas wieder. Hunderte verletzten sich schwer an 4 Meter hohen Zäunen und den Geschossen der spanischen Guardia Civil um Melilla und Ceuta. Tausende werden mittels Push-Backs an den Grenzen zu Griechenland und Bulgarien zurückgewiesen, Hunderttausende versuchen daher ihr Glück auf hoher See und nicht wenige von ihnen finden dabei den bitteren Tod. Die Weiterführung von "Mare nostrum" durch die Agentur FRONTEX als "Frontex plus" ist mehr als zynisch - ist diese Organisation bisher an der Sicherung der europäischen Außengrenzen beteiligt gewesen und eben nicht an der Rettung Tausender von Menschenleben.

 

Die Abschottung Europas beginnt in den Köpfen. Grenzen sind eine Idee, das Sterben an den Grenzen ist ein Konzept. Darum wollen wir diesen Text auch vor Ort beginnen lassen:

In Göttingen und Umgebung werden ständig Menschen abgeschoben, immer mehr Leute bekommen einen Abschiebebescheid nach der Dublin-Regelung. Das bedeutet nicht die Abschiebung in ein angenommenes oder reelles Herkunftsland, sondern die Abschiebung in ein Land der EU, in welches eine Geflüchtete Person als erstes eingereist ist.

 

n Göttingen haben wir erst im April gesehen, welchen Aufwand die lokalen Behörden betreiben um dieses Konzept durchzusetzen. Morgens um 6 Uhr rückte eine halbe BFE-Hundertschaft an um einen geflüchteten Somalier nach Italien zurück zu zwingen. Eine Blockade von rund 60 Aktivist_innen, welche die Abschiebung verhindern wollten, wurde mit Prügel, Pfefferspray und Hunden versucht aufzulösen - was zwar gelang, aber der Flieger war dann schon weg. Hier ist eine Abschiebung also vorerst verhindert worden, aber diese staatlichen Versuche sich Menschen zu entledigen finden hundert-, wenn nicht tausendfach statt.

 

Eine Flucht ist ein jahrelanger Prozeß voller Kampf, Widerstand, Entbehrung und Leid. Für viele ist der Antrieb die Hoffnung auf ein Ankommen in einem für sie sicheren Land und ein Leben in Würde und Sicherheit. Aber dieses Ankommen wird den Geflüchteten hier in Deutschland und Europa verwehrt, durch rassistische Gesetzgebung, rassistische Polizei und Behörden oder rassistische Mitmenschen. Daher geht für viele der Kampf hier weiter und auch deswegen haben sich die Refugee Proteste in Europa radikalisiert:

 

Refugees organisieren sich in Protestcamps in Bayern, sie besetzen Häuser, Dächer oder Plätze in Berlin, sie ziehen in Protestmärschen durch halb Europa und sie entziehen sich hundertfach ihrer Abschiebung. Staatliche Behörden reagieren darauf hilflos, indem sie dieses Aufbegehren kriminalisieren, niederknüppeln und wegsperren.

 

Immer mehr Kirchen oder Gemeinden stellen ihre Räume als Schutz für Verfolgte zur Verfügung. Dieses "kleine (Kirchen-)Asyl" wird häufig vom Staat toleriert und die Geflüchteten werden (vorerst und bei Entzug aller Sozialleistungen) in Ruhe gelassen. Und auch wenn manche Ausländerbehörde diese Kirchenasyle durch die Polizei brechen und räumen lies, schufen Kirchengemeinden und UnterstützerInnen bundesweit bisher über 140 Kirchenasyle.

 

Zivilgesellschaftliches Engagement von unten, Refugee Strikes und Proteste haben gezeigt, daß das europäische Konzept von Repression und gewalttätiger Aussortierung angreifbar und veränderbar ist. Ein Gesetz, ganz egal wie militarisiert und ideologisch untermauert es daher kommt, bleibt eben doch nur ein Gesetz. Es braucht Menschen, die es ausführen und unterstützen. Wenn wir derartigen Gesetze, die unserem Verstand widersprechen und uns wütend machen, gemeinsam untergraben und ihnen etwas entgegensetzen, können wir sie auch verändern.

 

Im Juli haben Göttinger Antirassist_innen zum zweiten Mal verhindert, dass ein Mensch über ein Dublin-Verfahren nach Ungarn abgeschoben wurde. Und auch in anderen Städten und Gemeinden - wie Osnabrück, Hannover, Jena, Freiburg oder Neu-Ulm - formiert sich der Widerstand, gegen diese Gesetze.

 

Auch innerhalb Europas verschärft sich der Verteilunsgkampf mal wieder. Haben es die Menschen nach Europa geschafft, müssen sie ihr Leben in europäischen Gefängnissen und Lagern oder in Armut und Elend auf der Straße verbringen. Durch rassistische Politik und Stimmungsmache werden Menschen gegeneinander ausgespielt: In den politischen Debatten um "faule Griechin_innen" "sichere Herkunftsstaaten", "Bettelverbote" oder "Armutsmigration" wird klar, dass es nicht nur die sichtbaren Grenzen sind, welche Menschen daran hindern sollen, ein besseres und sicheres Leben zu führen.

 

Und schließlich drehen sich die Diskurse in der (liberalen) Linken meist nur um ökonomische Nützlichkeit und Verwertbarkeit von Menschen, wenn es eigentlich darum gehen müsste, neo-liberale und neokoloniale Machtstrukturen zu kritisieren und anzugreifen.

 

Wenn wir am 2. Oktober den fast 400 Menschen gedenken, die genau vor einem Jahr ihr Leben vor Lampedusa ließen, gedenken, die an den europäischen Außengrenzen im Mittelmeer und der Ägäis zu Tode kamen, soll dies auch ein Erinnern sein an die fast 24.000 Toten an den europäischen (Außen-)Grenzen, welche es nicht in die breite Öffentlichkeit geschafft haben - jenen, die vor Flucht, Vertreibung und Armut geflohen - und gescheitert sind.

 

Wenn am 3. Oktober der "Tag der deutschen Einheit" gefeiert und damit über "deutsche" Flucht an einer ehemaligen deutsch-deutschen Grenze gesprochen wird, vergessen wir nicht, dass die Militarisierung der Grenze heute tödliche Realität für Hunderttausende von Menschen ist.

 

Um Abschottung und also Tod und Verderben zu beenden, müssen wir uns nicht nur Gedanken um eine wirkungsvollere antirassistische Praxis, sondern auch über die Veränderung unseres ökonomischen Systems machen.

 

Dass solidarische Formen der Ökonomie schon heute erste Gestalt annehmen zeigen Beispiele wie Umsonstläden, Foodcoops oder Open-Source-Projekte, die nicht länger dem obersten gebot der Akkumulation dienen, sondern der Entwicklung eines solidarischen Lebens verschrieben sind.

 

Durch gelebte Nachbarschaft und lebendigen Kommunen – und unseren Kampf gegen internationale Ausbeutung können wir gemeinsam eine bessere Zukunft aufbauen. Denn unser Leben wird ein anderes sein, wenn wir in transnationalem Austausch sozialer Bewegungen voneinander lernen, um Nationalstaaten und deren militarisierte Grenzen zu überwinden.

 

Wohnraum – Jobs – Bewegungsfreiheit in Europa!

Gegen die Dublin Verordnungen!

Refugees welcome!

Abschiebungen stoppen!

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Our „Unity“ is solidarity. Lampedusa – stop the killings

During the last years, we witnessed a European crisis of finaces, which developed into a massive crisis of the European border system. It has physically become visible at the outer borders and peripheral countries of Europe. Hundreds were heavily hurt by the 4 metre fences and shots of the Spanish Guardia Civil in Ceuta Melilla. By means of push-backs, thousands are rejected at the borders of Greece and Bulgaria, hundreds of thousands take a chance and try to cross the high seas, where not only a few meet their bitter death. The continuation of „Mare Nostrum“ by the agency Frontex under the name „Frontex Plus“ is not just cynical – this organisation is part of the fencing off of the European external borders, and has precisely not been involved in saving peoples' lives.

But the fencing off of Europe starts with the minds. Borders are just an idea, death at the borders is a concept. This is why we want to let this text start here: In and around Göttingen, people are constantly deported, and more and more people receive notification of imminent deportation due to the Dublin regulation. This does not mean a deportation to an assumed or real country of origin, but deportation into the member state of the EU where a refugee has first set foot.

Last April in Göttingen, we have seen what immense effort local bureaucracies muster in order to enforce this concept. At six o'clock in the morning, 50 special police come in order to deport a Somali refugee to Italy. A blockade by 60 activists, who wanted to halt the deportation, was attacked with battons and pepper spray. When the blockade was lifted, the airplane had already left. A deportation was – preliminarily – halted, but the efforts of the state to rid itself of people are continuing – hundred-fold, or even thousand-fold.

Flight is a process that continues for many years, and is full of struggle, lack and suffering. Many are pushed forward by the hope to arrive in a safe country, where a life in dignity and security is possible. But this arrival is refused in Germany and Europe, by racist laws, racist police and bureacracy, or racist people on the street. For many, the struggles continues here, and this is also the reason why the refugeep protests in Europe have radicalised. Refugees organise protest camps in Bavaria, occupy houses, roofs and squares in Berlin, lead protest marches through Europe and escape from imminent deportations. The institutions of the state react helplessly by criminalising, volent attacks or imprisonment.

More and more churches and church communities provide space for refugges. This „small church asylum“ is often tolerated by the state and refugees are not hassled any further, even though they also don't receive any material social benefits. Even if some are evicted by the police, church communitites and supporter have created more than 140 church asylums in Germany.

Efforts by civil society and from below, refugee strikes and protests have proven that the European concept of repression and violent exclusion is vulnerable and can be changes. A law, no matter how militarised and ideologically settled, is after all just a law. It needs people that execute and support it. If we undermine and confront such laws, which contradict reason and make us angry, we will be able to change them.

In Juli, antiracists activists from Göttingen halted a second deportation to Hungary. As well as in other cities and municipalities – Osnabrück, Hannover, Jena, Freiburg or Neu-Ulm – resistance against these laws is growing.

In Europe, too, the material struggles are intensifying. When people reach Europe, they have to live their life in European prisons and camps, or in poverty and misery in the streets. Racists policies and propaganda divide and play people against each other. The political debates around „lazy Greeks“, „safe countries of origin“, „bans on begging“ or „poverty migration“ show that it is not just about visible borders which stop people from leading a better, and safer life.

And after, the discoursed of the (liberal) left revolve around economic criteria of usefullness of people, even though they really should be about criticising and attacking neoliberal and neocolonial power structures.

When on October 2nd we will commemorate the 400 people that lost their lives one year ago in the vicinity of Lampedusa, we will commemorate at the same time all the people that drowned in the Mediterranean and Aegeis: 24.ooo deaths that didn't reach the public's consciousness.

When on October 3rd, the „day of German unity“ will be celebrated, and when about „German“ escape across the German-German border will be spoken about, we will not forget that the militarisation of the borders is deadly reality for hundreds of thousands of people today. In order to stop fencing off, death and misery, we not only have to think about a more effective antiracist practice, but also about changing the economic system.

There can be solidarity in economy, examples like free shops, food cooperatives and open source projects have proven that economic activity is not necessarily about accumulation, but can be part of developing a life in solidarity.

Lived neighbourliness, lively municipalities, and our struggle against international exploitation can lead to building a better future together. For our life will be a different one once we learn, in the transnational exchange of social movements, to overcome nation states and their militarised borders.

 

Flats, jobs, freedom of movement in europe.

 Against the dublin regulation.

 Refugees welcome.

 Stop deportations.

 

 

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