26.4.// Abschiebung nach Kosovo: Das kranke Ashkali-Großelternpaar R. ist nach Prishtina / Kosovo abgeschoben worden.
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Presseerklärung
Ausländerbehörde greift zu hinterhältigem Trick, um Abschiebung um jeden Preis durchzusetzen
Heute Mittag ist das kranke Ashkali-Großelternpaar R. tatsächlich von Karlsruhe nach Prishtina / Kosovo abgeschoben worden. Die Ausländerbehörde bediente sich dafür eines Hinterhalts:
Weil wegen 2 Rechtsschutzanträgen das Gericht am 24.04. die Abschiebung für den 25.04. ausgesetzt hatte, ließen sich am Montag Vormittag 2 Mitarbeiter der Ausländerbehörde die beiden kranken und von der Haft schwer zermürbten Leute voneinander getrennt im Gefängnis vorführen. Sie legten ihnen ohne Erklärung und ohne Dolmetscher je zwei Formulare vor und forderten sie zur Unterschrift auf. Die R.s sagten im Telefonat mit Familienangehörigen danach, dass sie glaubten unterschreiben zu müssen, aber nicht wussten, was sie unterschrieben hatten! Tatsächlich nahmen die R.s damit alle ihre Rechtsmittel zurück und so auch die beiden Eilanträge, sowie erklärten sie ihr "Einverständnis" mit ihrer Abschiebung!! So dass die Zusicherung der Abschiebungsaussetzung wirkungslos wurde sowie UNMIK nach ihrer Ankunft in Prishtina keine Handhabe zu ihrer Zurückweisung hatte!!
Dieser Skandal wird ein Nachspiel haben.
Der Unterschriften-Trick geschah nicht zum ersten Mal. Uns ist bekannt, dass bei Abschiebungen den Betroffenen oft kurz zuvor Formulare zur Unterschrift aufgenötigt werden bzw. wurden, und dass es nur wenigen gelingt, sich in der Haft dem Druck zu entziehen und die Unterschrift zu verweigern bzw. die Formulare in Ruhe durchzulesen.
Ein Formular nennt sich „Freiwilligkeitserklärung “ („LEA IV B 225“), das zweite „Rücknahmeerklärung“ („LABO 4394 c“). In ersterer erklärt die/der Betroffene, sie/er sei „einverstanden“ mit der Abschiebung, in letzterer nimmt sie/er alle zuvor eingelegten Rechtsmittel zurück und erklärt alle weiteren Rechtsverfahren für ungültig. Mit der Unterschrift wird außerdem bezeugt, den Inhalt der Erklärung verstanden zu haben.
Im vorliegenden Fall ist sicher: es gab keinen Übersetzer, es gab keine Erklärung, es gab kein Verstehen. Bei Frau R. wissen wir, dass sie auch albanische Schrift fast nicht lesen kann. Dass sie allein, verwirrt, gedemütigt, mit Tabletten ruhiggestellt (ist uns bekannt!), gegenüber zwei Behördenvertretern, deren Sprache sie nicht versteht, nicht wagt, etwas anderes zu tun, als was diese ihr mehr oder weniger aufdrängen. Vermutlich ist dazu nicht viel Aufwand nötig! Die mit Frau R. in der gleichen Zelle inhaftierte Lutfije I. bekam anlässlich ihres ersten misslungenen Abschiebungsversuchs vor 6 Wochen (der zweite wurde vor 2 Wochen durch das OVG gestoppt) ebenfalls offenbar die gleichen Formulare vorgelegt. Nach ihrer Auskunft wurde ihr mit langer Haft gedroht, wenn sie nicht unterschreibe.
Sie besaß damals noch die Kraft, die Papiere zu lesen und die Unterschrift zu
verweigern.
Den beiden alten R.s könnte ähnliches angedroht worden sein.
Von Herrn R. wissen wir, dass er nach den Bedingungen der Haft (z.B. war er am Freitag trotz seiner Gehbehinderung mit schmerzenden Gliedern in Handschellen im Krankenhaus vorgeführt worden!) vollkommen am Ende seiner Kraft war und sich gegenüber dem Drängen der beiden Herren nicht die Zeit herauszunehmen wagte, die vorgelegten Papiere auch nur zu lesen, sondern sich von den Herren bedroht und zur Unterschrift genötigt fühlte – ohne zu verstehen, was darin stand.
Nach ihrer eigenen Darstellung ist Herrn und Frau R. keine Durchschrift ausgehändigt worden (vermutlich wurde sie „zur Habe genommen“) , sie wussten nichts über den Inhalt der Papiere, und es ging alles sehr schnell. Zudem wollten sie um fast jeden Preis der weiteren Inhaftierung entkommen. So waren sie nach ihrer Ankunft in Prishtina erst einmal erleichtert, der demütigenden Pein des Abschiebegefängnisses entronnen zu sein.
Was im Kosovo auf sie wartet, steht auf einem ganz anderen Blatt.
gez. Eva Weber
Das Ashkali-Ehepaar R. aus Vucitrrn/Vushtri steht vor der Abschiebung in den Kosovos!
Sie waren nach dem Abzug der Serben
aus Kosovo 1999 vertrieben worden und flüchteten mit allen Kindern
(und Enkeln) nach Deutschland. Weitere Enkel wurden in Deutschland
geboren. Die Kinder und Enkel haben teilweise bereits
Aufenthaltserlaubnisse, die in Berlin bangen von einer Duldung zur
nächsten. Die Familie des Sohnes, bei der die Großeltern R. leben,
hat kürzlich gerade die Duldungen um 6 Monate verlängert bekommen.
Großeltern gehören nach deutscher Auffassung nicht zur Familie,
obwohl nach kosovarischer Tradition die Großeltern die Oberhäupter
ihrer Familien (der Söhne, Schwiegertöchter und Enkel) sind. UNMIK
kennt die kosovarische Tradition, muss sich jedoch dem erheblichen
deutschen Abschiebe-Druck beugen und soll jetzt die Großeltern
allein annehmen.
In Vushtri herrscht(e) eine besonders zugespitzte Situation für die sog.
Minderheiten. Die KFOR riegelt(e) Straßen der Roma und Ashkali
regelrecht ab. Neu errichtete Häuser wurden zwar von Rückkehrern
zunächst bezogen, aber spätestens im März 2004 flüchteten dort wieder
alle Roma und Ashkali. Seitdem stehen dort Häuser für die "Minderheiten"
leer, niemand will oder kann darin wohnen, weil die Situation unzumutbar
ist. Dennoch ist UNMIK gezwungen, wegen des sog. Rückübernahmeabkommens
auch von "Minderheiten", wenn Wohnraum vorhanden ist, aus Deutschland
abgeschobene Ashkali, "Ägypter" etc. anzunehmen und dort unter
Stacheldraht unterzubringen und zu bewachen, ob sie es wollen oder
nicht. Zum Nachweis von Wohnraum (egal ob die Abgeschobenen
"Minderheiten" oder Albaner sind) reicht es, dass irgendwelche angeblich
Verwandte in Kosova wohnen, egal ob Platz im Haus ist oder nicht, und
meistens ist dies nicht der Fall.
Bitte schreibt Protestmails und -faxe an Innensenator Körting. Adresse
im internet.
Da Körting und sein Verwalter Hampel von der
Senatsverwaltung auch das positive Votum der Härtefallkommission für ein
Bleiberecht der Eheleute R. abgelehnt hatte, hier die Adresse der
zuständigen Stelle der Berliner Senats-Innenverwaltung:
Michael.Hampel@seninn.verwalt-berlin.de. fax: 030-9028-4583, fon:
030-9027-2406
Hier nun mein Leserinbrief. Ihm vorher gingen bereits 2
Presseerklärungen des Berliner Flüchtlingsrats. Doch die Berliner
Senatsverwaltung hat sich in Betonbunker verschanzt, ist für keine
Ansprache zugänglich, hält sich nicht an eigene Vorgaben und Zusagen und
will auf Teufel komm raus abschieben:
"Herr und Frau R. sollen in der kommenden Nacht vom 24. zum 25.04. von
Berlin nach Karlsruhe gebracht und von dort am 25.04. nach Prishtina
abgeschoben werden.
Dass die beiden alten, kranken und kriegstraumatisierten Leute seit dem
13.04. zum 3. Mal in Abschiebehaft sitzen müssen, um morgen nach
Karlsruhe und dann in eine stacheldraht- und KFOR-bewehrte Ödnis
deportiert zu werden, ist empörend und eine Schande für diese Berliner
Regierung. Wenn nur eineR von denen die Eheleute mal wirklich anschauen
würde, so wie am 12.04. am T-Damm (Abschiebungshaft) der Polizeiarzt es
tat und deshalb ihre Entlassung veranlasste, dann wüssten sie, dass sie
schändlich handeln.
Ich habe die beiden Eheleute im "Gewahrsam" am T-Damm und in Köpenick
besucht: eine schwer depressiv in sich zusammen gekauerte apathische
Oma, die aussieht wie 80, auch wenn sie erst 64 ist, die wegen Knie- und
Beinschmerzen kaum laufen kann, die unter Atemnot und Kopf-Nacken- und
Brustschmerzen leidet, und ein nach Schilddrüsen-OP und Hormonmitteln
sehr adipöser Mann mit Diabetes und Herz-Bluthochdruck-Leiden, der bei
seiner ersten Abschiebungs-Inhaftierung vor 3 Monaten mit Verdacht auf
Herzinfarkt ins Krankenhaus entlassen werden musste, der auch kaum noch
laufen kann wegen der Diabetes-typischen fortgeschrittenen
Durchblutungs- und Knochenerkrankungen, der mit großer
Wahrscheinlichkeit im Kosovo wegen der schlechten medizinischen
Versorgung schnell dem Tod entgegengeht:
Müssen diese beiden kranken Alten tatsächlich in Haft sitzen? Und um
jeden Preis abgeschoben werden? Auch wenn ihre Kinder und deren
Familien, mit denen sie zusammen im Sommer 99 aus ihrem geplünderten und
dann verbrannten Haus vertrieben wurden, alle hier in Deutschland leben,
entweder bereits mit Aufenthaltserlaubnis (ein Sohn mit Familie in
Niedersachsen) oder mit 6-monatiger Duldung (ein Sohn mit Familie in
Berlin, bei dem die beiden faktisch leben)? Für die das Wort
"untertauchen" keinen Sinn ergibt? Für die das Wort "Leben" nur eine
Bedeutung hat, sofern sie ihrer im Kosovo als "Zigeuner" und hier als
"illegal Eingereiste" immer wieder getretenen Würde den familiären
Zusammenhalt in gegenseitigem Respekt und Unterstützung entgegensetzen
können? Den beiden Alten, deren Leben und Gesundheit durch die
Erniedrigungen und Wunden des Krieges sowie der rassistischen
Verfolgungen vorzeitig am Ende angelangt ist, die nur noch ihren
Lebensabend bei ihren Söhnen und Enkeln[1] verbringen und von ihnen bei
zunehmender Krankheit gepflegt und versorgt
werden möchten, wird hier weitere Demütigung durch sinnloses
Eingesperrtsein in Knastzellen zugemutet, nur um ihnen ihr bisschen
Restleben zu verkürzen, indem sie hinter Stacheldraht und KFOR-bewehrter
Angst unter Fremden und getrennt von ihrer Familie dort eingehen sollen???
KeineR der Damen und Herren der Verwaltungsbürokratie wird sich
hineinversetzen in die Seele dieser Menschen, wird sich die Verwirrung
vorstellen wollen, die die (scheinbare) Sinnlosigkeit des
Verwaltungshandelns bei ihnen hervorruft: was haben sie uns Deutschen
getan, dass wir ihnen solche Wunden zufügen, sie wie Kriminelle und
Aussätzige ein- und aussperren, wie sollen sie das jemals
nachvollziehen, wie davon jemals genesen können?
Ich habe nachts diese Bilder der Alten im Kopf: Wie sie am 12.04. hinter
der Glasscheibe der Besuchszelle am T-Damm saßen, die traumakranke Frau
völlig verwirrt, hustend, nach Luft schnappend und ganz klein in sich
zusammen gesunken, der Mann rot im Gesicht und schwer atmend (der
Polizeiarzt stellte an diesem Abend einen "besorgniserregenden"
Bluthochdruck von 220 zu 130 fest!). Und wie zutiefst erleichtert ich
war, als ich eine Stunde später wegen polizeiärztlich festgestellter
Reiseunfähigkeit (der Abschiebeflieger ging am 13.04. von Düsseldorf)
die alte Frau an meinem Arm langsam humpelnd aus dem Knast heraus wieder
in die "Freiheit" führen durfte - nur damit am nächsten Morgen die Damen
der Abschiebeabteilung am Nöldnerplatz die beiden Alten sofort wieder
festnehmen konnten, mit einer Rundmail auch an die Chefin der
Ausländerbehörde, dass die in Anführungsstrichen "Kranken" am Abend
zuvor wegen Vorlage von Gefälligkeitsattesten entlassen worden seien,
was die Damen mit einer Anzeige gegen den Arzt beantworten würden! Kein
Wort darin, dass die von der Ausländerbehörde selbst beauftragte
polizeiärztliche Untersuchung Frau R.s zur Feststellung ihrer
Reiseunfähigkeit geführt hatte!
Die Bilder, wie ich sie in der Köpenicker Besuchszelle wieder traf: die
Frau war noch verwirrter, sie konnte nur noch tiefer den Rückzug in sich
selbst antreten, eine zerfurchte Greisin mit hoffnungs- und blicklosen,
vom Weinen geröteten Augen unter ihrem Kopftuch, die mit schwacher
röchelnder Stimme ihr Nichtverstehen ihrer Umgebung, der Fragen der
Polizeiärztin nach ihrer Schulbildung anstatt nach ihren Beschwerden,
ihre Kopfschmerzen, ihre Luftnot, ihre Angst vor dem Wiedererleben der
Vertreibung, vor dem Anblick der Trümmer ihres Hauses zum Ausdruck
brachte. Ihre Zellengenossin, die junge Kosovo-Albanerin Lutfije I. saß
mit an unserem Tisch, sie übersetzte für mich das Murmeln der alten
Frau. Und sie erzählte, dass Frau R. jeden Tag in der Zelle weinen und
fast jede Nacht im Schlaf schreien würde, nicht laut, aber aufgeregt und
angstvoll, wie von Albträumen. Denn auch Lutfije kann nachts kaum
schlafen, auch sie ist voller Angst vor der endgültigen Trennung von
ihrer in Berlin teilweise mit Aufenthaltserlaubnis lebenden
traumakranken Familie durch ihre drohende Abschiebung.
Die Bilder von Herrn R. sind auch in meinem Kopf, wie er roten Kopfes
und empört beschreibt, was jetzt alles unternommen würde, damit man ihn
noch rechtzeitig bis zur Abschiebung als "reisefähig", zur Not mit
ärztlicher Beleitung, stempeln könne, und dass man ihm ohne Aufklärung
unbekannte Medikamente gebe, und dass er die Schande nicht ertragen
werde, seine Frau und ihn wie Verbrecher aus dem Land und von ihren
Kindern zu vertreiben, so als hätte ihnen das Leben nicht schon
übergenug Verletzung und Vertreibung zugefügt. Und dass er sich die
Pulsadern aufschneiden werde, wenn sein Herz nicht von allein aussetze
beim Anblick des Entsetzens seiner Frau vor der Wiederkehr der
entsetzlichen Erinnerungen, wenn sie ihr zerstörtes Haus im Trümmerfeld
der Ashkali-Siedlung in Vushtri sehen müsse, und wenn sie bei fremden
Leuten notdürftig geduldet hinter dem Stacheldraht und keinen Schritt
ohne Soldaten aus dem Haus gehen können werden. Wenn sie die eigene
Angst und die Angst der anderen vor jederzeit neuen Angriffen nicht mehr
im Griff haben werden. Wenn sie, ohne ihre Familie, ohne irgendjemand
etwas anderes als Last zu sein, wie weggeworfene Hüllen in Angst und
Einsamkeit und ohne die nötige medizinische und soziale Umgebung nur
noch ihren Tod zu erwarten haben.
Solche wirklichen Bilder weisen die Damen und Herren der
Senatsverwaltung wie der Abschiebungsbehörde weit von sich: für sie geht
es um die ordnungsgemäße, "kontrollierte Rückführung illegal
Eingereister", beileibe nicht um die reale Deportation von Menschen, die
noch heute in ihrer "Heimat" (die nicht wieder zu erkennen ist) als
"Zigeuner" ("magjub" ist das albanische Schimpfwort) verfolgt werden -
Deportation aus dem Land, in dem erst vor 2 Generationen (auch) eine
halbe Million "Zigeuner" deportiert und ermordet wurden... "
Eva Weber, Forschungsgesellschaft Flucht und Migration Berlin
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[1]die Töchter und deren Nachwuchs "gehören" nach der Heirat der Familie
der Schwiegersöhne, die nicht als verwandt gelten; das Haus des
Schwiegersohns in Vucitrrn/Vushtri, in das die alten R.s gebracht werden
sollen, wird nicht von der Tochter bewohnt, die wegen der Märzunruhen
2004 von dort flüchten musste und auch in Deutschland ist, sondern von
nicht verwandten anderen Ashkali, die gar keinen Platz dort für die
beiden Alten haben!
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Bitte schreibt Protestmails und -faxe an Innensenator Körting. Adresse
im internet.
Da Körting und sein hardcore-Vollstrecker Hampel von der
Senatsverwaltung auch das positive Votum der Härtefallkommission für ein
Bleiberecht der Eheleute R. abgelehnt hatte, hier die Adresse der
zuständigen Stelle der Berliner Senats-Innenverwaltung:
Michael.Hampel@seninn.verwalt-berlin.de. fax: 030-9028-4583, fon:
030-9027-2406