200.000 nur geduldet
22.04.2006 / Inland / Seite 4
Bundesweiter Aktionstag für Abschiebestopp und Bleiberecht am heutigen Sonnabend
Von Jörn Boewe, junge welt
Am 4. und 5. Mai tagt in Garmisch-Partenkirchen die Innenministerkonferenz der Bundesländer. Auf der Tagesordnung steht - wie auch schon auf der vergangenen Konferenz im Dezember - die Diskussion um eine Bleiberechtsregelung für langjährig »geduldete« Flüchtlinge. 200000 Ausländer lebten Ende 2005 mit einer Bescheinigung über die »Aussetzung der Abschiebung« (»Duldung«) in Deutschland, fast die Hälfte davon bereits mehr als zehn Jahre. Allein in Berlin sind es rund 10000. Zu ihnen gehören die 18jährige Yanga Ayuk und ihr 15jähriger Bruder Junior aus Kamerun. Yanga besucht eine Berufsschule und würde später gern Fremdsprachenkorrespondentin werden. Vor fünf Jahren kamen sie mit ihrer Mutter in die Bundesrepublik. Die Familie lebte zunächst mit dem deutschen Ehemann der Mutter zusammen in Stuttgart. Nachdem die Mutter jedoch straffällig geworden war und inhaftiert wurde, kamen die Geschwister nach Berlin. Hier integrierten sie sich schnell und problemlos in ihr neues soziales Umfeld. Doch weil die Aufenthaltserlaubnis der Mutter im vergangenen Jahr widerrufen wurde, droht jetzt auch den Kindern die Ausweisung - denn ihr Aufenthaltsrecht ist an die Duldung der Mutter gekoppelt.
Die Berliner Härtefallkommission hat sich gegen die Abschiebung von Yanga und Junior ausgesprochen. Dennoch lehnte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ein entsprechendes Ersuchen im Dezember ab. Freunde, Mitschüler und Lehrer setzen sich seitdem dafür ein, daß die beiden trotzdem bleiben können - doch wie die Sache ausgeht, ist ungewiß.
Daß Jugendliche wie Yanga und Junior kein eigenständiges Aufenthaltsrecht haben, ist einer von vielen Schwachpunkten des im Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes, auf das die damalige Koalition von SPD und Grünen so stolz war. Überhaupt hatten die Macher des Gesetzes schlicht »vergessen«, eine Regelung für langjährig in Deutschland lebende Flüchtlinge zu finden.
So wurde das Problem der »Kettenduldungen« bis heute nicht aus der Welt geschafft. Da Duldungen immer nur kurzfristig ausgesprochen werden, müssen die Geduldeten jederzeit mit Abschiebung rechnen.
Nur wenige bisher geduldete Flüchtlinge haben auf der Grundlage des neuen Zuwanderungsgesetzes eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. In einigen Bundesländern gibt es sogenannte Härtefallkommissionen, die in Einzelfällen zu humanitären Lösungen beitragen können. Eine grundsätzliche Regelung, die Rechtssicherheit für alle Betroffenen schaffen könnte, scheiterte bislang am Widerstand der unionsgeführten Bundesländer.
Antirassistische Initiativen und Flüchtlingsorganisationen rufen für den heutigen Sonnabend zu einem bundesweiten Aktionstag auf unter dem Motto: »Abschiebungen stoppen! - Papiere für alle!«
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