Der Norden macht für Bleiberecht mobil
taz Nord vom 21.4.2006
Der Norden macht für Bleiberecht mobil
Morgen Aktionstag gegen Abschiebepraxis. Demonstrationen in Hamburg und
Göttingen. Flüchtlingsorganisationen in Hamburg und Schleswig-Holstein
beklagen Kasernierung und Drangsalierung von Asylsuchenden
Das Motto lautet: "Papiere für alle!" Im Rahmen eines bundesweiten
Aktionstages rufen für Samstag zahlreiche Flüchtlingsorganisationen zu
Demonstrationen gegen den sich verschärfenden Umgang mit Asylsuchenden
auf. Die zentrale Kundgebung für Niedersachsen findet in Göttingen statt
(Altes Rathaus, 12 Uhr), während im hohen Norden nach Hamburg (11 Uhr,
Hauptbahnhof) mobilisiert wird.
Der Aktionstag zielt auf die Innenministerkonferenz, die am 4. und 5. Mai
in Garmisch-Partenkirchen stattfindet. Auf ihr wollen die Innenminister
der Länder über Bleiberechtsregelungen für Flüchtlinge beraten, die schon
lange in Deutschland leben. Eine Einigung ist nicht in Sicht: Die Gräben
zwischen den Ländern, die die Bleiberechtspraxis liberalisieren möchten
und denen, die die Abschiebepraxis weiter verschärfen wollen, erscheinen
unüberbrückbar.
"Abschiebungen stoppen - Bleiberecht für alle!" lautet die zentrale
Forderung des Aktionstages, auf die sich alle aufrufenden Organisationen
verständigt haben. Unter diesem gemeinsamen Appell beschäftigen sich die
lokalen Initiativen vor allem mit der zunehmend isolierten Unterbringung
von Asylsuchenden in speziellen Lagern.
So steht im Zentrum der schleswig-holsteinischen Flüchtlingsarbeit die
Kampagne gegen das "Ausreisezentrum" in Neumünster, das am 1. April auf
einem Kasernengelände eröffnet wurde. "Ausreisepflichtige Ausländer mit
Abschiebehindernissen" - so der offizielle Sprachgebrauch - sollen hier
isoliert untergebracht werden. Vorbild ist das niedersächsische Lager
"Bramsche-Hespe". "Die Flüchtlinge werden hier durch ein Bündel
repressiver Maßnahmen dazu gedrängt, zu unterschreiben, das sie ihrer
»freiwilligen Rückkehr« zustimmen. Weigern sie sich, setzt eine Kette von
Einschränkungen ihrer wenigen verbliebenen Rechte ein", beschreibt die
Gruppe "Avanti" die Lager-Praxis aus ihrer Sicht.
Hamburger Flüchtlingsinitiativen beklagen hingegen die Pläne des Senats,
die Erstaufnahme-Einrichtung für Asylsuchende auf dem Schiff Bibby Altona
zu schließen und das Hamburger Flüchtlingskontingent nach
Mecklenburg-Vorpommern zu verfrachten. Hier sollen sie in der Zentralen
Aufnahmestelle Horst, fernab von aller Infrastruktur und jeder größeren
Stadt untergebracht werden. "Der Senat der Hansestadt erfüllt sich damit
den Wunsch, die Stadt flüchtlingsfrei zu machen", kritisiert der Hamburger
Flüchtlingsrat. Marco Carini
taz Nord vom 21.4.2006, S. 21, 83 Z. (TAZ-Bericht), Marco Carini