1. November: Vor 15 Jahren trat das AsylblG in Kraft
1. November: Vor 15 Jahren trat das Asylbewerberleistungsgesetz in Kraft
Trotz steigender Lebenshaltungskosten blieben die Leistungen seither unverändert. Das Prinzip war und ist Entrechtung, Abschreckung, staatlich organisierter Leistungsbetrug
Presseerklärung Pro Asyl 30. Oktober 2008
Am 1. November 1993 trat das Asylbewerberleistungsgesetz in Kraft. Seit nunmehr 15 Jahren gibt es zweierlei Existenzminima in Deutschland. Asylsuchende und viele Menschen mit Duldung werden von Staats wegen in eine Situation gebracht, in der in Zeiten steigender Lebensmittelpreise kaum noch das bloße physische Existenzminimum gedeckt ist. Unverändert stehen den Empfängern von Asylbewerberleistungen 1,36 Euro pro Tag und Person für den persönlichen Bedarf zur Verfügung. Mit diesem ihnen einzig zur Verfügung stehenden Bargeldbetrag müssen sie die Kosten für den ÖPNV, Telefongespräche, Porti u.a. bestreiten.
Das Prinzip des Gesetzes war und ist erklärtermaßen, potentielle Asylsuchende von der Antragstellung in Deutschland abzuschrecken. Die hierzulande lebenden Asylsuchenden werden zum Instrument dieser staatlichen Doktrin und damit zum bloßen Objekt staatlichen Handelns – ein Anschlag auf die Menschenwürde. Das rassistische Sondergesetz muss weg.
Die nunmehr 15-jährige Praxis, die Leistungen nicht zu erhöhen, obwohl die Leistungsanpassung in § 3 Absatz 3 Asylbewerberleistungsgesetz ausdrücklich vorgesehen ist, ist eine Art staatlich organisierten Leistungsbetruges. Die Verbraucherpreise sind seit Inkrafttreten des Gesetzes um mehr als 23 Prozent gestiegen. Die Grundleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes liegen um mehr als 35 Prozent unter dem Niveau der Sozialhilfe. Jeder weitere Anstieg der Verbraucherpreise vergrößert das Problem. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Leistungsbezieher mit Sachleistungen abgespeist wird und in Lagern leben muss.
Inzwischen sind unter den Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, großenteils Geduldete, ja sogar – nach einer letzten Verschärfung – Menschen, die ein Bleiberecht aus humanitären Gründen erhalten haben.
Der Charakter des Gesetzes hat sich damit von einer Grundlage zur Leistungsgewährung an Asylsuchende in der ersten Zeit nach der Einreise zu einer Grundlage für die dauerhafte Entrechtung auch jahrelang hier Lebender gewandelt. Ihnen werden für vier Jahre – in der Praxis vieler Bundesländer auch darüber hinaus – die „integrativen Leistungen“ vorenthalten. De facto ist dies alles, was über das physische Überleben hinausgeht.
Auf der politischen Agenda steht in Kürze die Beratung über die dringend notwendige Erhöhung der Hartz IV-Sätze. Es wird sich zeigen, ob die Bundesregierung dabei wieder die Einsicht verweigert, dass die Anpassung der Beträge des Asylbewerberleistungsgesetzes aus denselben Gründen längst überfällig ist. Zuletzt hat sie im April in der Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag (BT-Drucksache 16/9018 und 16/7213) deutlich gemacht, dass sie eine Leistungserhöhung nicht für nötig hält.
Die Bruttoausgaben für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz lagen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2007 nur noch bei insgesamt 1,03 Milliarden Euro, der niedrigste Stand seit Einführung der Asylbewerberleistungsstatistik. Angesichts der Beträge, die aktuell für die Unterstützung notleidender Banken aufgebracht werden, sind das wahrlich Peanuts. 150.000 Menschen sind aktuell Opfer der organisierten Mangelversorgung durch das Gesetz.
gez. Bernd Mesovic
Referent
Hinweis: In der o.a. Bundestagsdrucksache hat sich die Bundesregierung letztmals umfassend und dennoch argumentativ mangelhaft zum Thema der Existenzsicherung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geäußert.
Der beigefügte Text „Osnabrück ist überall! – Wie die Bundesregierung die Mangelversorgung des Asylbewerberleistungsgesetzes mangelhaft begründet“ von Bernd Mesovic setzt sich mit dieser Bundestagsdrucksache auseinander. Es handelt sich um einen Beitrag für das in Kürze erscheinende Heft der Zeitschrift „Flüchtlingsräte – Zeitschrift der Flüchtlingsräte in Deutschland“.
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