Vom Ausverkauf sozialer Rechte :: Supermarkt-Ketten weiterhin auf Expansionskurs

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Rund um den Globus befinden sich Supermärkte auf dem Vormarsch. Bei Lebensmitteln sind es weltweit nur noch dreißig Supermarkt-Ketten, welche ein Drittel des gesamten Handels abwickeln! Garant des Erfolgs sind in erster Linie Dauertiefstpreise – durchgesetzt von global operierenden Konzernen á la Wal-Mart, Tesco oder Metro. Einziger Haken: Die viel gepriesene Billigware gibt es nicht zum Nulltarif. Vielmehr wäre sie ohne systematische Verletzung sozialer Rechte und ohne Zerstörung ökologischer Ressourcen überhaupt nicht möglich. Ein kurzes Supermarkt-ABC möge verdeutlichen, worum es geht. Supermarkt-ABC... Stichwort Expansion: Seit den späten 1980er Jahren sind Supermarkt-Ketten Schritt für Schritt in die Riege der mächtigsten Akteure im globalen Lebensmittelgeschäft aufgerückt. Hintergrund ist die Liberalisierung der weltweiten Dienstleistungsmärkte – insbesondere durch das WTO-Dienstleistungsabkommen GATS und die EU-Osterweiterung. Erst hierdurch ist eine bis heute anhaltende Expansionswelle im Einzelhandel ausgelöst worden. Der derzeit zweitgrößte Supermarktkonzern – das französische Unternehmen Carrefour – ist etwa mit 12.000 Geschäften in 29 Ländern vertreten, sein im Ausland erzielter Umsatz beträgt 53%. Am rasantesten ist das Supermarktwachstum bis heute in Osteuropa und Lateinamerika, und auch Asien kann sich dem Sog bereits seit Jahren nicht mehr entziehen. Lediglich in Afrika spielen Supermärkte eine überwiegend marginale Rolle – dennoch sollten erste Expansionsbestrebungen durch Supermarkt-Ketten aus Südafrika und Kenia nicht unterschätzt werden. Stichwort Verdrängung: Kehrseite der Expansion sind massive Verdrängungsprozesse: Für einen Arbeitplatz bei Lidl fallen beispielsweise 3 Arbeitsplätze im übrigen Einzelhandel weg, in Vietnam ersetzt eine Arbeitskraft im Supermarkt 4 bis 5 StraßenhändlerInnen. Das stiftet nicht nur krasse Verarmungsdynamiken, vielmehr kommt es auch zur Verödung ganzer Stadtteile oder Dörfer und somit zur Zerstörung von Nachbarschaftsnetzwerken – einschließlich des Wegfalls wohnortnaher Versorgungsmöglichkeiten. Stichwort Preisdiktate: Mittels Marktmacht setzen Supermärkte ihre Zulieferer massiv unter Druck: Im Zuge eines zwischen mehreren englischen Supermärkten ausgefochtenen Preiskrieges um Bananen sind zum Beispiel in Costa Rica die Tagelöhne für ArbeiterInnen auf Bananenplantagen von 12-15 Pfund im Jahr 2000 auf 7-8 Pfund drei Jähre später gefallen. Ähnlich dramatisch ist die Situation in Südspanien, woher ein Großteil des in deutschen Supermärkten verkauften Gemüses stammt: Papierlose ArbeitsmigrantInnenen erhalten dort für einen zehnstündigen Arbeitstag gerade mal 20-30 Euro, ihre Behausungen ohne Wasser und Strom spotten jeder Beschreibung. Stichworte Qualitätsstandards: Insbesondere im Süden des Globus sind Kleinbauern und -bäuerinnen nicht in der Lage, die von lokalen und nördlichen Supermärkten vorgegebenen „Qualitäts“standards zu erfüllen – was z.B. Farbe und Form des Gemüses oder Verpackungsrichtlinien betrifft. Sie werden folglich immer stärker durch große Plantagenbetriebe verdrängt. Stichwort Umweltzerstörung: Je größer und somit industrialisierter landwirtschaftliche Betriebe sind, desto beträchtlicher sind die Schäden an Wasser, Böden und Wäldern – inklusive klimaschädlicher Konsequenzen. Der in der Öffentlichkeit viel diskutierte Einsatz von Pestiziden ist also nur die Spitze des (ökologischen) Eisbergs. Stichwort Arbeitsbedingungen: Auch die sozialen Rechte von Supermarkt-Angestellten werden massiv torpediert – ganz gleich, ob es um Entlohnung, Mitbestimmungsrechte, Arbeitstempo oder Ladenöffnungszeiten geht. Das hat nicht zuletzt die Lidl-Kampagne von ver.di umissverständlich deutlich gemacht. Alte Widersprüche – neue Bündnisse... Die kritische Auseinandersetzung mit Supermärkten ruft unweigerlich altbekannte Fragestellungen auf den Plan – etwa Debatten um Bedürfnisse, um Chancen und Begrenzungen von „Fair Trade“ oder um die Frage, wer es sich überhaupt leisten kann, derlei Gedanken zu machen (geschweige denn „fair“ und biologisch einzukaufen). In unseren Augen sind diese Fragestellungen allesamt notwendig und legitim, sie sollten allerdings nicht gegensätzlich diskutiert werden. Vielmehr begreifen wir Supermärkte als einen Kristallisationspunkt (selbstredend nicht den einzigen), an dem Gewerkschaften, soziale Bewegungen, NGO etc. von unterschiedlichen Blickwinkeln aus aktiv werden können. Aktion auf dem Doppelcamp Unter dem Motto „Reclaim your Market“ werden wir am 18. August mit mehreren hundert Menschen mindestens einen Supermarkt in Hamburg aufsuchen. Im Mittelpunkt der Aktion wird die agrarindustrielle Gemüse- und Obstproduktion in Südspanien stehen. Damit möchten wir nicht nur die Einkaufspolitik von Supermarkt-Ketten öffentlich an den Pranger stellen. Vielmehr erhoffen wir uns auch konkrete Unterstützung für jene Basisgewerkschaften und Initiativen, die vor Ort den Kampf migrantischer LandarbeiterInnen – viele von ihnen ohne Papiere – unterstützen. Zum Weiterlesen... Kritische Veröffentlichungen rund um „Supermärkte“ liegen bislang vor allem von entwicklungspolitischen NGO und Gewerkschaften vor: INKOTA-Brief 143 (März 2008) mit Schwerpunkt zu: „Supermärkte und Discounter weltweit: Die hohen Kosten der niedrigen Preise“. Bestellung und teilweiser free download unter: www.inkota.de (unter Medien) „ Supermärkte auf dem Vormarsch im Süden – Bedrohung für Kleinbauern“ (Autorin: Marita Wiggerthale/2007). Bestellung oder oder free download unter: www.eed.de (unter Mediathek/Neuerscheinungen) „ Grenzenlos billig? Globalisierung und Discountierung im Einzelhandel“ (Autorinnen: Sarah Bormann, Christina Deckwirth, Saskia Teepe/2005). Free download unter: www.weed-online.org (unter Themen/Konzernkritik) „Endstation Ladentheke. Einzelhandel – Macht – Einkauf: Unter welchen Bedingungen Ananas und Bananen produziert werden, die in Deutschland über die Ladentheke gehen“ (Autorin: Marita Wiggerthale/April 2008). Free download unter: www.oxfam.de Zahlreiche Infos und Hinweise zur Lidl-Kampagne von ver.di (inklusive der beiden Lidl-Schwarzbücher) finden sich auf der Webseite von ver.di: www.verdi.de (unter Kampagnen & Projekte). Verwiesen sei auch auf die bereits abgeschlossene Lidl-Kampagene von attac: www.attac.de/lidl-kampagne