EU-Sammelabschiebungen per Charterflug :: Hamburg als Vorreiter

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Der Europäische Rat beschloss am 29.4.2004 die Organisation von Sammelflügen zur Abschiebung „ausreisepflichtiger“ MigrantInnen und Flüchtlinge. Die „Generalprobe“ für solche Flüge fand in der Nacht vom 25. auf den 26.5.04 ab Hamburg-Fuhlsbüttel statt: Das Nachtflugverbot wurde aufgehoben, der Flughafen in eine Polizeifestung verwandelt und gegen 2 Uhr früh wurden acht Flüchtlinge aus vier verschiedenen Bundesländern mit einer KLM-Maschine nach Amsterdam geflogen, um von dort mit insgesamt 44 Flüchtlingen aus fünf EU-Ländern nach Togo und Kamerun abgeschoben zu werden. Seitdem gab es aus Hamburg mindestens sieben solcher Sammelabschiebungen nach Afrika, außer nach Togo und Kamerun auch nach Guinea, Ghana, Benin und Nigeria. Weitere Charterflüge fanden ab Düsseldorf statt (siehe Übersicht auf www.fluechtlingsrat-hamburg.de unter „Abschiebepolitik“ und den Daten 5.7.07 und 15.1.08). Im Juli 2005 bekräftigten die sogenannten G5-Staaten (Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien) auf einem Treffen in Evian, Abschiebungen in Zukunft verstärkt gemeinsam zu planen. Kurz danach waren die Flughäfen London und Paris Schauplatz der ersten gemeinsamen Abschiebung nach Afghanistan. Weitere Flüge dorthin folgten. Solche Abschiebeflüge werden mit gecharterten Flugzeugen verschiedener Gesellschaften, z.B. Hamburg International (siehe Kasten S....), Aero Flight (die Firma hat inzwischen Konkurs angemeldet), Hello (Schweizer Firma), LTU, Westtours oder der speziell dafür gegründeten österreichischen Fluggesellschaft Asylum Airlines, durchgeführt. Sie fliegen von Land zu Land, um vorher meist in Nacht- und Nebelaktionen und mit brutaler Gewalt festgenommene Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere einzusammeln. Oder Flüchtlinge werden mit Zubringerflügen, z.T. in kleinen Privatjets, zu den Abflugorten gebracht. Etwa 140.000 Euro kostet eine Sammelabschiebung, wovon etwa 70 Prozent von der EU erstattet werden. „Wenn ich die Maschine voll bekomme, kostet mich ein Abzuschiebender nur rund 1000 Euro. Schon ab 20 Personen sinken die Pro-Kopf-Kosten unter den Preis einer Linienabschiebung“, erklärte ein leitender Mitarbeiter der Hamburger Ausländerbehörde gegenüber dem Zeit-Magazin Leben (1). Aber Kosteneinsparung durch eine große Anzahl gemeinsam Abzuschiebender ist nicht der Hauptgrund für die Durchführung von Sammelabschiebungen. Ein Beispiel: Im März 2008 fand der erste Charterabschiebeflug aus Irland statt – mit ganzen sechs Flüchtlingen auf den 110 Sitzen der Maschine. Wesentlich ist, dass bei einem Charterflug, der nur mit Abzuschiebenden, mehr als doppelt so vielen Polizisten, einem Arzt sowie MitarbeiterInnen der beteiligten Ausländerbehörden und der europäischen Grenzschutzagentur Frontex besetzt ist, jegliche Öffentlichkeit ausgeschlossen und Widerstand kaum möglich ist. In Linienflügen kam es in den letzten Jahren des öfteren zu Protesten von Passagieren, und gegen einige laufen z.B. in Frankreich Prozesse deswegen. Wenn Passagiere sich weigern, Platz zu nehmen, kann der Flug aus Sicherheitsgründen nicht starten. Außerdem ist möglich, dass das Flugpersonal sich weigert, Abschiebungen durchzuführen. Bei der Air France gab es im Sommer 2007 eine entsprechende Kampagne von GewerkschafterInnen. Die deutsche Pilotenvereinigung Cockpit empfiehlt ihren Mitgliedern, Betroffene von Abschiebungen zu fragen, ob sie fliegen wollen, und bei der Antwort „nein“ den Transport zu verweigern, da sonst im Fall des Tods oder bei Verletzungen von Abzuschiebenden der Pilot angeklagt werden könne. Bei speziellen Abschiebe-Charterflügen ist mit solchen Problemen nicht zu rechnen, da ausgesuchtes Personal eingesetzt wird und Misshandlungen unbeobachtet stattfinden können. Nur im Nachhinein drangen durch Berichte von Abgeschobenen Fakten über den Einsatz von Medikamenten zur „Ruhigstellung“, über Fesselung, Knebelung, Schläge und andere (menschen)rechtswidrige Maßnahmen an Bord der Chartermaschinen an die Öffentlichkeit. Die Behörden rechtfertigen solche Misshandlungen damit, dass die Betroffenen „Straftäter“ seien und „gewalttätig“ wurden. Tatsächlich gilt für Behörden schon der „illegale“ Aufenthalt als Straftat, und Schreie des Protests oder Widerstand gegen Fesselung und Schläge werden als „Gewalt“ bezeichnet – nicht jedoch das, was Flüchtlingen angetan wird. Frontex plant für 2008 weitere 8-10 EU-Sammelabschiebungen. Es ist zu befürchten, dass einige davon ab Hamburg stattfinden sollen. Wir mobilisieren für Freitag, den 22.8. zum Hamburger Flughafen, um dort in vielfältiger Form unseren Protest und Widerstand gegen solche und andere Abschiebungen zum Ausdruck zu bringen und den Hamburg Airport lahm zu legen so lange wir können! (1) Die Reportage ist zu finden unter: http://www.zeit.de/2008/03/Abschiebeflug sowie auf www.fluechtlingsrat-hamburg.de unter „Aktuelles“ und dem Datum 15.1.08