15.11.07 // Irakflüchtlinge in Deutschland: Haft statt Schutz - Vielen droht die Überstellung nach Griechenland
Flüchtlinge aus dem Irak sind ohne Zweifel schutzbedürftig und nach
ihren Fluchterlebnissen oft in einem erbärmlichen psychischen Zustand.
Dennoch kommen sie immer häufiger in Deutschland in Haft. Der
Hintergrund: Vermutet man, dass sie bereits den Boden eines anderen
EU-Staates betreten haben, sollen sie nach der europäischen
Zuständigkeitsregelungen der Dublin-II-Verordnung dorthin rücküberstellt
werden. Bis zur Rückführung werden sie in Zurückschiebungshaft genommen.
Ihr Asylantrag wird nicht geprüft, auch nicht im sog. Flughafenverfahren.
Obwohl nach internationalem Recht Haft die Ausnahme und im Übrigen auf
ein Mindestmaß beschränkt bleiben soll, greift hier praktisch ein
Automatismus. Wer ein Schutzbedürfnis äußert, muss mit monatelanger Haft
rechnen.
Da die Zuständigkeitsregelung der Dublin-II-Verordnung nur für
diejenigen gilt, die einen
Asylantrag stellen, ergibt sich ein absurdes Ergebnis: Wer seine
Verfolgung schildert und damit ein Asylbegehren äußert, dem droht fast
ausnahmslos die Haft, falls es Anhaltspunkte dafür gibt, dass er in
einem anderen EU-Staat gewesen ist. Wer lediglich angibt, er stamme aus
dem Irak und sei z.B. aus touristischen oder familiären Gründen gekommen
und gegen seine Abschiebung keine Einwände erhebt, der darf einreisen.
Denn in diesem Fall ist Deutschland für ihn zuständig und hierzulande
besteht ein Abschiebungsstopp in den Irak.
Allein im Zuständigkeitsbereich der für den Flughafen München
zuständigen Ausländerbehörde Erding saßen nach Informationen des
Bayerischen Flüchtlingsrates vor Kurzem gleichzeitig 25 Iraker in Haft,
denen die Rücküberstellung nach Griechenland droht. Unter ihnen sind
viele Christen, die schildern, dass die Situation für sie im Irak immer
bedrohlicher wurde. Dies interessiert Deutschland nicht. Es wird auch
nicht geprüft, ob die Betroffenen in Griechenland Zugang zu einem
Asylverfahren hatten und unter welchen Umständen sie sich dort
aufgehalten haben. PRO ASYL hat vor Kurzem einen Bericht veröffentlicht,
der belegt, dass Griechenland neu ankommende Flüchtlinge regelmäßig
inhaftiert, in den meisten Fällen kein Zugang zum Asylverfahren gegeben
ist und die Lebensumstände in den griechischen Haftlagern
menschenrechtswidrig und unerträglich sind.
PRO ASYL hat bei In-Kraft-Treten des Zuwanderungsänderungsgesetzes
prognostiziert: Es werden mehr Menschen in Abschiebungshaft landen. Die
Zukunft hat schon begonnen: Haft bis zur Rücküberstellung nach
Griechenland, in ein Land, das ausweislich seiner Asylstatistik fast
niemandem Schutz gewährt und in dem Flüchtlinge das Freiwild der
Behörden sind.
PRO ASYL fordert:
� Das Asylbegehren muss in jedem Fall als Erstes vom BAMF geprüft werden.
� Ingewahrsamnahme/Haft darf nur noch nach den Regeln des
Flughafenasylverfahrens (§ 18 a AsylVerfG) verhängt werden.
� Haft muss die Ausnahme bleiben und darf nur für kurze Zeit verhängt
werden.
� Eine Rücküberstellung nach Griechenland darf nicht durchgeführt
werden, solange dort die Lebensbedingungen für Schutzsuchende
unerträglich sind und ein ordnungsgemäßes Asylverfahren nicht
gewährleistet ist.
gez. Bernd Mesovic
Referent
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