13.5.07 // Abschaffung des Gutscheinsystems in Göttingen beschlossen - Verwaltung stellt sich quer
Der Göttinger Kreistag hat sich in seiner Sitzung am 9.5.2007 für die Abschaffung des Wertgutscheinsystems für Flüchtlinge zu Gunsten zukünftiger Bargeldauszahlung ausgesprochen. In einem entsprechenden Antrag heißt es zur Begründung, die Gutscheinregelung sei "diskriminierend" und bedeute für die Betroffenen "Bevormundung, Demütigung und Stigmatisierung". [1] Der Antrag wurde mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linkspartei und WLG angenommen. CDU und FDP lehnten den Antrag ab.
Bereits im Februar 2007 hatte der Rat der Stadt Göttingen einen ähnlichen Antrag verabschiedet.
Die Verwaltungen von Stadt und Landkreis weigern sich jedoch bisher, den Beschluss umzusetzen. Das heißt Flüchtlinge erhalten derzeit weiterhin die ihnen zustehenden Leistungen in Form von Gutscheinen.
Die Verwaltungen mißachten bewußt ihren Handlungsspielraum, den das AsylbewerberInnnenleistungsgesetz spätestens seit seiner Neufassung 1997 vorsieht. [2] Auf die konkrete Frage am 11.5.07 im Stadtrat, welche Gesetze oder Vorschriften, die Ausgabe von Bargeld in Göttingen gegenwärtig noch verhindern, konnte Sozialdezernentin Dr. Schlapeit-Beck lediglich auf das Bundesgesetz (§3 AsylbLG) verweisen. Dass es sich hierbei nur um eine fadenscheinige Begründung handelt ist offensichtlich, denn schließlich werden in zahlreichen Bundesländern und Kommunen die Leistungen in Bargeld erbracht: in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Bremen, Hamburg und Berlin flächendeckend; mit wenigen Ausnahmen auch in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Selbstverständlich gilt auch dort §3 des AsylbLG.
Die politische Frage, Bargeld oder Wertgutscheine auszugeben, wird seitens der Verwaltung mittels unlauterer Argumentation rechtlich kaschiert. Sie begibt sich so in eine Position, in der der politische Wille des Stadtrates und des Kreistages - nämlich Flüchtlingen endlich wieder Bargeld auszuzahlen - zur Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen ignoriert wird.
Dies ist nicht hinzunehmen. Vielmehr ist es nun erforderlich, eine zügige Umsetzung der Beschlüsse durch die Verwaltungen von Stadt und Landkreis einzufordern. Einstweilen wird der Gutscheinumtausch fortgesetzt werden müssen, die Beteiligung aller daran bleibt wichtig.
1. http://gutscheingruppe.piranho.com/antrag09.05.07.html
2. vgl. Birk LPK-BSHG sowie Fichtner/Wenzel. Außerdem Anja Lederer [ http://www.proasyl.de/texte/mappe/2003/84/9.pdf ] und Georg Classen [ http://www.proasyl.de/lit/classen2/classen2-2a.htm#_Toc478158702 ].
----------------
Pressemitteilung
Göttingen, 13.5.2007
Landkreis Göttingen beschließt Abschaffung des Wertgutscheinsystems
Der Göttinger Kreistag hat sich in seiner Sitzung am 9.5.2007 für die Abschaffung des
Wertgutscheinsystems für Flüchtlinge zu Gunsten zukünftiger Bargeldauszahlung ausgesprochen.
Die Verwaltung wird aufgefordert, "den Vertrag zur Abrechnung von Sodexho Pass Wertgutscheinen
zum nächstmöglichen Zeitpunkt (...) zu kündigen." Zur Begründung heißt es, die Gutscheinregelung
sei "diskriminierend" und bedeute für die Betroffenen "Bevormundung, Demütigung und Stigmatisierung". [1]
Der Antrag wurde mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linkspartei und WLG angenommen. CDU und FDP lehnten den Antrag ab.
Bislang weigert sich die Verwaltung, die Rechtmäßigkeit des Beschlusses anzuerkennen und missachtet den Handlungsspielraum, den das AsylbewerberInnnenleistungsgesetz spätestens seit seiner Neufassung 1997 vorsieht. Demnach ist den zuständigen Behörden die Entscheidung freigestellt, ob sie an Flüchtlinge Wertgutscheine oder Bargeld ausgeben [2]. Entsprechend wird in zahlreichen anderen Bundesländern und Kommunen bereits verfahren: So werden in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Bremen, Hamburg und Berlin Bargeld ausgegeben, mit wenigen Ausnahmen auch in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Bereits im Februar hat sich auch der Rat der Stadt Göttingen in einem ähnlichen Antrag für die Abschaffung des Wertgutscheinsystems ausgesprochen. [3]
Flüchtlinge und UnterstützerInnen begrüßen die Entscheidungen des Landkreises und des Stadtrats; die Gutscheingruppe fordert eine zügige Umsetzung der Beschlüsse durch die Verwaltungen von Stadt und Landkreis. Bis es soweit ist, wird der von der Gutscheingruppe organisierte Umtausch fortgesetzt.
1. http://gutscheingruppe.piranho.com/antrag09.05.07.html
2. vgl. Birk LPK-BSHG sowie Fichtner/Wenzel. Außerdem Anja Lederer [http://www.proasyl.de/texte/mappe/2003/84/9.pdf] und Georg Classen [http://www.proasyl.de/lit/classen2/classen2-2a.htm#_Toc478158702].
3. http://www.bargeldstattgutscheine.de.tf/antrag09.07.07.html
Gutscheingruppe Göttingen
http://bargeldstattgutscheine.de.tf/
http://www.papiere-fuer-alle.org/
gutscheingruppe
c/o arbeitskreis asyl goettingen
geismarlandstrasse 19
37083 goettingen
fon: +49.551.58894
fax: +49.551.58898
akasylgoe[at]emdash.org
gutscheingruppe[at]gmx.de