"Es gilt das Recht Guineas"
Ausländerbehörde Dortmund läßt mit fragwürdigen Methoden Identität abgelehnter Asylbewerber klären
von David Schraven
DIE WELT, Freitag 7.4. 2006 URL: http://www.welt.de/data/2006/04/07/870794.html
Dortmund - In Massenbefragungen läßt die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) der Stadt Dortmund die mögliche Identität abgelehnter Asylbewerber klären. Dazu würden innerhalb von wenigen Tagen rund 350 Personen aus Westdeutschland einer Delegation aus dem westafrikanischem Land Guinea vorgeführt, sagte der Leiter der Zentralbehörde, Friedhelm Weller. Aufgrund der Aussprache und der Gesichtsform würde dann die Delegation herausfinden, wer aus Guinea komme und wer nicht. Personen, die aus Guinea stammten, würden in das Land abgeschoben. Die ZAB Dortmund ist auf den Abtransport von Asylsuchenden aus dem afrikanischen Land spezialisiert. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes in Berlin weist die Menschenrechtslage in Guinea "gravierende Defizite" auf. Es gebe Folter und willkürliche Verhaftungen, außerdem würden in dem westafrikanischen Land Todesurteile vollstreckt.
Die Räume, in denen die Afrikaner befragt werden, befinden sich in der Dortmunder ZAB. Es würde sich dabei um "quasi exterritoriales Gebiet" handeln, sagte ZAB-Chef Weller. "Bei der Befragung gilt das Recht Guineas", fügte der ZAB-Chef hinzu.
Eine Sprecherin des Innenministers von Nordrhein-Westfalen (NRW), Ingo Wolff (FDP), sagte, bei den Verhören seien deutsche Beamte nicht unbedingt zugegen. Aber auch ohne Überwachung sei durch Absprachen sichergestellt, daß "die Bedingungen unseres Rechtsstaates" bei den Verhören eingehalten würden.
Die Delegation aus Guinea besteht nach Auskunft des NRW-Innenministeriums aus vier Personen, die offensichtlich alle dem Sicherheitsministerium des afrikanischen Staates zugeordnet sind. Zumindest einer der Verhörspezialisten ist der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) bekannt. N'Faly Keite gelte als "äußerst korrupter und gefährlicher Zeitgenosse", heißt es in einem schriftlichen Bericht der IGFM, der sich auf Informationen aus der deutschen Botschaft in Guinea bezieht.
Für den Vorsitzenden der Dortmunder Grünen, Ulrich Langhorst, ist das Ganze nicht nachvollziehbar. "Es ist übel, wenn Beamte aus einem Folterstaat nach Deutschland kommen können, um sich hier potentielle Folteropfer auszusuchen." Dagegen ist nach Auffassung von ZAB-Chef Weller an dem Verfahren nichts auszusetzen. Schließlich habe es das Auswärtige Amt in Berlin abgesegnet.
Doch davon kann offenbar keine Rede sein. Sagte doch ein Sprecher des Außenamts gegenüber der WELT: "Mit den Maßnahmen haben wir nichts zu tun." Die Zentrale Ausländerbehörde in Dortmund habe die Verhöre angeregt. Das Auswärtige Amt habe nur die Einladungen an die Behörden in Guinea weitergeleitet.
Die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag in Düsseldorf fordern nun Aufklärung über die Widersprüche in Aussagen von Innenminister Wolff. "Wir wollen wissen, ob hier die Standards unseres Rechtsstaates eingehalten werden", sagte die innenpolitische Sprecherin der Partei, Monika Düker.
Artikel erschienen am Fr, 7. April 2006