13.10.06 HAZ // „Nächste Woche brennt es hier“ zum Protest in Blankenburg

Haz vom 13.10.2006 „Nächste Woche brennt es hier“ Das Gelände des zentralen Aufnahmelagers in Oldenburg-Blankenburg mit dem großen Teich und dem schönen Laubwald hat fast etwas von einem Kurpark – trotz Metallgitterzaun. Doch der Schein trügt. Vor zehn Tagen sind einige der hier lebenden Asylbewerber in den Streik getreten. Ein Teil der rund 550 Bewohner kritisiert die Verpflegung, medizinische Versorgung und „Zwangskasernierung“, fordert Essensgeld statt „Kantinenfraß“ und und hat daher zum Boykott von Kantine und Ein-Euro-Jobs aufgerufen. Wer gegen den Boykott verstößt, muss wie der hungrige Afrikaner in der Kantine mit Druck rechnen. Seit Anfang vergangener Woche vergeht kaum mehr ein Tag, an dem nicht die Polizei gerufen wird, um bei der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde (ZAAB) für Ruhe zu sorgen. Die Konflikte spitzen sich zu. Anfangs hatten Streikende nur symbolisch den Kantineneingang verrammelt, seit einigen Tagen häufen sich die Schlägereien. Und ein Ende ist nicht absehbar. Im Gegenteil. „Nächste Woche brennt es hier“, hat eine Bewohnerin dem ZAAB-Leiter Christian Lüttgau gedroht. „Lager = Isolation“, steht auf einem Transparent, das ein Asylbewerber am Donnerstag bei einer Demonstration durch die Oldenburger Innenstadt trägt. „Stoppt Massenverpflegung“, steht auf einem anderen. „Ich bin schon seit zwei Jahren in diesem Lager“, klagt die 28 Jahre alte Kurdin Gülistan, die ihrem vierjährigen Sohn Asad übers Haar streicht, während die anderen kämpferisch auf leere Benzinkanister trommeln. „Wir haben keinen Arzt, kein Geld und keine Schule, und das Essen ist ungenießbar.“ Angeführt wird die Demonstration von Vertretern eines „antirassistischen Plenums“, einem bunten Spektrum, das von Globalisierungsgegnern bis zur Antifa reicht, den sogenannten Antifaschisten. „Wir fordern die dezentrale Unterbringung in gemeindenahen Wohnungen“, sagt Olaf Bernau vom „No-Lager-Netzwerk“. „Alle Flüchtlinge müssen das Recht haben, sich bei uns zu integrieren.“ Doch dies entspricht nicht der deutschen Gesetzeslage. Abgelehnte Asylbewerber, die mit ihrer Abschiebung zu rechnen haben, sollen nach dem Willen des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU) nicht in Einzelwohnungen, sondern in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden – in Braunschweig, Bramsche und eben in Oldenburg. Doch die Konzentration auf engen Raum schafft Probleme. „Wenn man nur 38 Euro Taschengeld im Monat kriegt, ist klar, dass die Leute klauen oder mit Drogen handeln“, sagt der Türke Mustafa Kocef. Auch Oldenburgs Polizeichef Johann Kühme bereitet die Ballung von desintegrierten Migranten, die oft länger als zwei Jahr im Lager sind, Kopfzerbrechen. „So kann es nicht weitergehen“, sagt er. „Seit längerer Zeit schon haben wir in der Stadt eine offene Drogenszene – und die Dealer, meist Schwarzafrikaner, kommen fast alle aus dem Lager.“ Viele hätten längst abgeschoben werden müssen. Das Problem besteht aber darin, dass sie keine Angaben zu ihrer wahren Identität machen. Wenn sie aber Angaben zu ihrem Herkunftsland verweigern, wird ihnen das Taschengeld gekürzt – auch das schafft Unmut. Aus Sicht von ZAAB-Leiter Lüttgau ist der Protest von außen gesteuert. „Die sogenannten Unterstützer benutzen die Bewohner zur Propagierung ihrer politischen Ziele“, sagt Lüttgau. „Angefangen hat alles mit einem Aktions-Camp, das sie vor unserer Unterkunft aufgebaut haben. Jetzt nehmen sie die Leute in Geiselhaft.“ Mittlerweile falle es den „Unterstützern“ schwer, die Bewohner mit eigenen Lebensmitteln zu versorgen, so dass immer mehr versuchten, trotz des Boykotts in der Kantine zu essen. Mit dem Speiseplan gibt sich das Catering-Unternehmen „menü 2000“ derzeit offenbar auch ganz besondere Mühe. So wird am heutigen Freitag „Kümmelgulasch mit Blumenkohl und Salzkartoffeln, wahlweise Makkaroni“ angeboten – dazu Obst, Saft und Salatbüfett. „Seit dem Streik gibt es plötzlich jeden Tag Festessen“, sagt einer ein Kantinenstreiker. „Die Absicht ist natürlich klar.“ Von Heinrich Thies

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