Bleiberechtsdebatte // Was geschah am 22. September?
Der Text mit Quellen: http://www.bleiberechtsbuero.de/?p=16
Am 22. September fand in Berlin eine Treffen der Innenminister von Bund und Ländern statt. Allem
Anschein nach gab es keine konkreten Resultate, aber dennoch sind mittlerweile einige Sachen klarer
als vorher. SPD und CDU sind sich einig, dass ein Bleiberecht zu kommen hat, Bosbach (CDU) sagt
etwa, es sei keine Frage mehr, “ob”, sondern nur “wie”. Die beiden Parteien peilen einen Kompromiss
an, der auf der Innenministerkonferenz im November nur noch “abgenickt” werden muss.
Allem Anschein nach geht der Kompromiss in Richtung Stichtagsregelung, d.h. von einer
Bleiberechtsregelung werden nur diejenigen profitieren können, die vor einem bestimmten Stichtag
nach Deutschland eingereist sind. Im Gespräch sind etwa Juli 1999 (Bosbach) oder 1. Januar 2000
(Schäuble), aber auf jeden Fall zwischen sechs und acht Jahren Aufenthalt. Nur die Grünen sprechen
von eineinhalb Jahren, in der Opposition hat es sich leicht reden und es zeigt sich gerade, dass
eine Bleiberechtsregelung mit einem schwarzen Innenminister leichter zu haben ist als mit einem
roten, der in einer Koalition mit den Grünen saß und “der Wutausbrüche bekam, wenn nur das Stichwort
Bleiberecht ins Gespräch kam.” (SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz über Ex-Bundesinnenminister
Otto Schily, auch SPD).
Eine weitere Forderung ist, dass sich diejenigen, die in den Genuss einer Bleiberechtsregelung
kommen sollen, selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen sollen, wobei die Politik hier immerhin schon
erkannt hat, dass die faktischen Arbeitsverbote durch das Zuwanderungsgesetz keine Ablehnungsgründe
sein dürfen. Leider soll das Arbeitsministerium zu den Beratungen hinzugezogen werden.
Arbeitsminister Müntefering ist aber einer derjenigen, der Arbeitsverbote für Flüchtlinge
aufrechterhalten will, obwohl sich sogar gestandene CSU-Hardliner wie etwa Hans-Peter Uhl für deren
Abschaffung aussprechen.
Eine andere zentrale Frage ist, ob auch alleinstehende Personen bleiben dürfen. Die SPD scheint da
etwas weiter zu sein, während sich vor allem die CSU immer noch auf Familien beschränken will, deren
Kinder in die Schule gehen. Die Erfüllung der Schulpflicht scheint aber bei beiden Parteien eine
Grundbedingung für ein Bleiberecht zu sein. Auch der Integrationsdiskurs der letzten Monate geht
nicht an einer Bleiberechtsregelung vorbei, es werden gute Deutschkenntnisse und eine “positive
Integrationsprognose”, was auch immer dass sein soll, gefordert. Hier ist jedoch noch einmal zu
betonen, dass es der deutsche Staat ist, der eine Integration und insbesondere das Erlernen der
deutschen Sprache systematisch verhindert hat. Lagerunterbringung, Arbeitsverbote, gestrichene
Fördermittel für Deutschkurse sprechen eine eigene Sprache.
An Ausschlußgründen diskutieren die Parteien “Täuschen der Behörden zur Verhinderung einer
Abschiebung”, Straftaten und extremistische Bezüge. Aber zumindest bei ersterem sind die Hardliner
gerade etwas stiller:
Nicht mit dem Wohlwollen der Union könne dagegen rechnen, wer nur durch „hartnäckiges Täuschen
der Behörden“ noch hier sei. Eine einmalige Identitätsverschleierung, das zu verzeihen ist die Union
offenbar inzwischen bereit.
Und das dicke Ende am Schluß: Erteilt würde ein Bleiberecht zunächst befristet auf zwei Jahre.
Stichtagsregelung und ein befristetes Bleiberecht werden das Problem der Kettenduldung nicht aus der
Welt schaffen. Da müssen sich die Politiker noch etwas besser besinnen. Zwar gibt es offensichtlich
schon Einsichtige, wie etwa den SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz:
Die Politik müsse zur Kenntnis nehmen, dass hier etwa 200 000 Menschen lebten, die man zwar
theoretisch ausweisen könne, nicht aber tatsächlich. „Da muss man doch irgendwann einmal auch die
Akte zumachen“.
Aber jetzt müssen Taten folgen. Da geht schon noch mehr!
Quellen: tagesschau, taz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Integration, tagesspiegel, Rheinische Post.
********TEIL 2********
Link: http://www.bleiberechtsbuero.de/?p=17
Mittlerweile konkretisieren sich die Vorschläge, es werden mehr Inhalte der Gesprächsrunde am 22.
September bekannt. Relative Einigung scheint bei der Stichtagsregelung zu bestehen: 6 Jahre für
Familien, 8 Jahre für Alleinstehende. Da nur die Hälfte der rund 190.000 Geduldeten seit mehr als 6
Jahren in Deutschland leben, kann dieser Vorschlag nicht als weitreichend beurteilt werden.
Bei der Frage nach der Arbeit gibt es ebenso weitere Konkretisierungen. Offenbar ist noch strittig,
ob es entweder ein Aufenthaltsrecht auf Probe gibt oder aber ein festes Aufenthaltsrecht unter der
Auflage, Arbeit zu finden, geben wird. Bei der derzeitigen wirtschaftlichen Situation und der
anhaltenden Diskriminierung von Ausländern auf dem Arbeitsmarkt sind beide Möglichkeiten
problematisch und senden keinesfalls ein Signal, dass den bisher Geduldeten eine echte Perspektive
in Deutschland gewährt werden wird. Tatsächlich soll Arbeitsminister Müntefering in die
Verhandlungen einbezogen werden. Anscheinend wird sogar geprüft, inwieweit es überhaupt einen Zugang
zum Arbeitsmarkt geben soll. Dies würde natürlich alle Forderungen nach Arbeit als Bedingung für ein
Bleiberecht konterkarieren.
Auch bei den Ausschlußgründen sind mehr Details bekannt geworden. Wie schon vorher bekannt, ist das
“andauernde Täuschen der Behörden” ein Ausschlußgrund, bei der Frage nach Vorstrafen ist nicht klar,
ob eine Vorstrafe oder erst eine “kriminelle Karriere” ausschlaggebend sind. Außerdem wurde eine
Einschränkung bei “Flüchtlingen aus Problemländern in Hinblick auf terroristische Gefahren”
diskutiert. Dies wäre natürlich ein Hohn, denn auch viele dieser Flüchtlinge sind vor Terror
geflohen und wären so zum zweiten Mal Opfer.
Der ärgste Gegner einer Bleiberechtsregelung, die ihren Namen verdient, scheint weiterhin Günther
Beckstein zu sein. “Beckstein blockiert bei Bleiberecht”, titelt der Tagesspiegel. Anscheinend hat
Beckstein erst spät am Abend weitreichende Einschränkungen formuliert, die aber von der SPD nicht
akzeptiert werden.
Die Kundgebung der von “Hier geblieben” und J.O.G. ist allerdings bemerkt worden und spiegelt sich
in einigen Medienberichten wieder. Inbesondere im Spiegel wird ein Vertreter von J.O.G. porträtiert,
der auch eine Regelung vorschlägt, die wesentlich fairer als eine Stichtagsregelung ist: dass ein
Aufenthalt generell nach einer bestimmten Zeit der Duldung zu erhalten ist.
Es sieht nicht gut aus für eine weitreichende Bleiberechtsregelung. Schon allein wegen der 6/8 Jahre
Regelung werden viele Flüchtlings nicht betroffen sein, und wenn die Vorschläge, dass Arbeit eine
wesentliche Bedingung ist, werden noch weniger Geduldete in den Genuss einer Regelung fallen,
besonders wenn der Zugang zum Arbeitsmarkt weiterhin eingeschränkt sein sollte. Zusammen mit
weiteren Einschränkung könnte am Schluss eine 10% Regelung rauskommen. Diese würde das Problem der
Geduldeten nicht lösen und in wenigen Jahren wäre die Thematik wieder massiv auf der Tagesordnung.
Selbst der Berliner Innensenator wird in der taz zitiert mit der Aussage: “Aber der große Durchbruch
ist noch nicht da. Einige CDU-Vertreter müssen sich noch bewegen.”