"Gazales Unterstützer geben nicht auf" - Presseschau zur Demonstration am 9.2. in Hildesheim

Im Folgenden sind zwei Berichte der Hildesheimer Lokalpresse dokumentiert. Eine ausführliche Presseschau und einige Redebeiträge, die während der Demonstration gehalten wurden, finden sich auf der Internetseite des Niedersächsischen Flüchtlingsrates: http://www.nds-fluerat.org/projekte/gazale-salame/ Gazales Unterstützer geben nicht auf Mehr als 250 Teilnehmer bei Demonstration am Sonnabend in der Innenstadt / Unterstützung von Landes- und Bundespolitikern Bericht der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung vom 11.02.2008 Hildesheim (nec). Mehr als 250 Demonstranten zogen am Sonnabend durch die Hildesheimer Innenstadt, um an das Schicksal der Familie Salame/Siala zu erinnern. Mit dabei: Superintendent Helmut Aßmann, Vertreter der SPD und der Grünen. Die ehemalige Bürgermeisterin und Landtagsabgeordnete Lore Auerbach hielt eine bewegende Rede. Es war ein bunter Trupp, der vom Kreishaus durch die Fußgängerzone zur Lilie zog, um den Fall nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: Schwarz gekleidete Antifa-Aktivisten liefen neben fahnenschwenkenden Parteimitgliedern der Linken und der Grünen, ganze Familien mit Kinderwagen und Kleinkindern an der Hand neben Älteren, die von den Kirchen mobilisiert worden waren. Vor drei Jahren war die schwangere Gazale Salame mit ihrer einjährigen Tochter in die Türkei abgeschoben worden, während ihr Mann Ahmed Siala die beiden älteren Töchter zur Schule brachte (die HAZ berichtete). Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Drei Jahre lang hat die Familie mit Unterstützung des Flüchtlingsrates versucht, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine Wiedereinreise der jungen Mutter zu ermöglichen - vergeblich. „Hier ist rechtlich alles in Ordnung und menschlich alles falsch”, erklärte Superintendent Helmut Aßmann vom evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt. Er appellierte an die Verantwortlichen im Innenministerium, nach einer humanen Lösung zu suchen, um der Familie ein Zusammenleben in Deutschland zu ermöglichen. Zuvor hatte die ehemalige Bürgermeisterin und SPD-Landtagsabgeordnete Lore Auerbach in einer sehr persönlichen Rede an die zahlreichen Ungereimtheiten des Falles erinnert. Als arabisch-sprechende Libanesen hätten Gazale Salame und ihr Mann keine andere Verbindung zur Türkei, als die Tatsache, dass die Eltern bei Flucht aus dem Bürgerkriegs-Libanon den Weg über die Türkei nahmen. Die junge Frau werde nun für die Angaben ihrer Eltern bei der Einreise nach Deutschland haftbar gemacht - und das obwohl diese und ihre acht Geschwister ein Bleiberecht erhalten hätten. Gazale Salame hingegen müsse nun allein in einem Land zurechtkommen, in dem allein erziehende Mütter absolute Außenseiter seien. Das sie in dieser Situation krank werde, könne sie nachvollziehen, sagte Auerbach. Und erinnerte daran, wie schlimm es für sie - als damals sechsjähriges Kind - auf der Flucht vor den Nazis in England gewesen sei. Obwohl die Situation für ihre Familie viel positiver ausgesehen habe, habe sie sich von der fremden Umgebung erdrückt gefühlt und Albträume bekommen. Gazale Salame war am vergangenen Donnerstag zusammengebrochen und in das Krankenhaus von Izmir eingeliefert worden. „Sie hat das Krankenhaus aber inzwischen auf eigenen Wunsch wieder verlassen, weil sie die Kinder nicht allein lassen kann”, erklärte ihr Mann Ahmed Siala am Sonnabend. Kai Weber vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat hofft immer noch auf Gesprächsbereitschaft beim Innenministerium. „Es ist wichtig, dass der öffentliche Druck nicht nachlässt”, erklärte er. Vor allem die Unterstützung durch lokale Politiker mache ihm Hoffnung. Zur Demonstration kamen die SPD-Landtagsabgeordnete Jutta Rübke, die Grünen-Landtagsabgeordnete Filiz Polat und die Grüne-Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer. “Rechtlich ist alles geklärt, menschlich ist alles falsch” Bericht des “Kehrwieder am Sonntag” vom 10.2.2008 (lv) Hildesheim. Die Unterstützung aus ihrer Heimat Hildesheim könnte Gazale Salame noch einmal Trost spenden. Sie hat ihn bitter nötig: Am Mittwoch ist sie im türkischen Izmir, wohin sie heute auf den Tag genau vor drei Jahren abgeschoben wurde, zusammengebrochen und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Zeitweise war sie nicht bei Bewusstsein. “Inzwischen geht es ihr besser”, sagt ihr Ehemann Ahmed Siala dem KEHRWIEDER. Sie habe sich auf eigenen Wunsch aus der Klinik entlassen, um bei ihren Kindern zu sein. Neben seinem Kampf um ein dauerhaftes Bleiberecht hofft Siala nun, dass er seine kranke und labile Frau und die beiden Kinder wenigstens für eine Woche besuchen darf, ohne gleich ganz in der Türkei bleiben zu müssen. Oder dass sie nach Deutschland zurückkommen darf, bis die Gerichte endgültig entschieden haben. Als nächste Instanz ist das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Zuge, es dürfte sich noch mindestens ein Jahr hinziehen. Um gegen die andauernde Trennung der Familie zu protestieren, trafen sich gestern ab 11 Uhr rund 250 Unterstützer der Familie vor dem Kreishaus. Mit dabei viele Vertreter der Grünen, darunter Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer, und der Linken. Dr. Lore Auerbach (SPD) geht als erste ans Mikrofon und spricht von “schallendem Unrecht”, das der Familie Salame/Siala widerfahren ist. Der Fall sei zwar in der Tat ausländerrechtlich kompliziert, aber es gehe um einen Rechtsverstoß der Eltern: “Es ist grotesk, dass diese jetzt das Bleiberecht besitzen, die Tochter Gazale aber abgeschoben wurde.” Die grüne Landtagsabgeordnete Filiz Polat kritisiert, dass Ahmed Siala von den Behörden ständig Steine in den Weg gelegt bekommen habe, etwa bei seinem Versuch, sich selbstständig zu machen. “Das ist Diskriminierung”, so Polat. Ende des vergangenen Jahres habe sie Landrat Reiner Wegner um ein Gespräch gebeten, erzählt sie später während der Abschlusskundgebung auf der Lilie dem KEHRWIEDER. Es wurde ihr mit Hinweis auf das laufende Verfahren verweigert. “Mit anderen Ämtern habe ich auch während laufender Verfahren sprechen können”, empört sich die Abgeordnete. Mit einer Petition an den Landtag hatten sich kurz vor Weihnachten die beiden christlichen Kirchen in den Fall eingemischt. Jetzt ist der evangelische Superintendent Helmut Aßmann gekommen, um seine Position darzulegen. “Rechtlich ist alles geklärt, menschlich ist alles falsch”, sagt der Kirchenmann. Mit der Abschiebung im Februar 2005 sei ein menschliches Desaster entstanden, aus dem kein Rechtsmittel heraushelfe. Das schwächste Glied in dieser Kette sei Gazale Salame. “Eine schwangere Frau mit einem Kind abzuschieben, heißt eines der elementaren Rechtsgüter unserer Gesellschaft anzutasten.” Die Verantwortlichen sollten sich jetzt phantasievoll mit der Rechtslage beschäftigen und einen humanitären Ausweg aus dem Dilemma finden. Bei einem Gottesdienst am heutigen Sonntag ab 18 Uhr in der Andreaskirche wolle er alle Beteiligten noch einmal sprichwörtlich “ins Gebet nehmen”.