HAZ 10.1.08 // Hungerstreik ist kein PR-Gag

HAZ 10.01.2008 „Der Hungerstreik ist kein PR-Gag“ „Menschen für Menschen“-Vertreter Andreas Vasterling will humanitären Umgang mit der Familie Siala/Salame bewirken Kreis Hildesheim (am). Vor neun Tagen hat Andreas Vasterling nach eigenen Angaben zuletzt gegessen – seither befindet er sich im Hungerstreik. Ziel seiner Aktion: Das Innenministerium soll sich nicht weiter gegen einen humanitären Umgang mit der Familie Siala/Salame sperren. Nach dem Treppensteigen in den ersten Stock stehen Andreas Vasterling ein paar Schweißtropfen auf der Stirn. „Es macht sich natürlich bemerkbar, dass ich nichts mehr esse, aber es ist eigentlich gar nicht so schlimm“, sagt der 46-Jährige. Die Idee, etwas für Gazale Salame, ihren Ehemann Ahmed Siala und die vier gemeinsamen Kinder zu unternehmen kam dem Sprecher des Kreises „Menschen für Menschen“ schon im vergangenen Jahr nach der Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg. An dem Tag beschied das Gericht, dass auch Ahmed Siala Deutschland verlassen soll (diese Zeitung berichtete). „Ich dachte, jetzt geht der juristische Kampf wieder von vorne los. Und das kann sich lange hinziehen“, sagt Vasterling. Neben einem Hungerstreik habe er auch eine Sitzblockade vor dem Innenministerium in Erwägung gezogen. Doch diesen Plan habe er schnell wieder verworfen, weil alle Aktionen für Gazale Salame legal sein sollen. Im Vorfeld sprach er mit einigen Bekannten, nicht aber mit den Vertretern des Flüchtlingsrates. „Ich kannte deren Argumentation schon im voraus“, sagt er. Und von einem „bringt das etwas?“ und „denk‘ an deine Gesundheit“ wollte er sich nicht abhalten lassen. Und so nahm sein Vorhaben Konturen an. Vor Weihnachten war der arbeitslose Maler und Lackierer das letzte Mal einkaufen. Nach und nach verzehrte er seine Lebensmittel, ließ sich an Silvester ein Schnitzel und am Neujahrstag ein paar Schwarzbrote mit Wurst und Käse schmecken. Dazu – so gesteht er – gönnte er sich ein paar Gläser von dem irischen Whiskey, den ihm sein Vater Hermann zu Weihnachten geschenkt hatte. Der 2. Januar begann für Vasterling mit Glaubersalz, das den Darm reinigt. Diese Methode wird auch beim Heilfasten angewandt. Seither nimmt er nur Wasser, Tee, Säfte und ab und an eine Brühe zu sich. „Zugegeben, Kaffee und Zigaretten kann ich noch nicht weglassen.“ Am 2. Januar brachte Vasterling bei einer Größe von 1,71 Meter noch 97 Kilogramm auf die Waage. Noch sind die Pfunde nicht gepurzelt, aber der Mann weiß, dass er einiges auf den Rippen hat, von dem er zehren kann. Sein Wohlfühlgewicht? Liegt zwischen 64 und 67 Kilogramm. „Zwei, drei Monate werde ich den Streik durchhalten“, vermutet Vasterling. Bei 55 Kilogramm sei aber vermutlich Schluss. Er geht davon aus, dass sein Gesundheitszustand sich Ende Januar verschlechtern wird. „Den Abbau werde ich auch intellektuell spüren“, mutmaßt er. Damit er dann nicht mehr auf sich allein gestellt ist, würde er im Februar gerne in einen öffentlichen Raum, wie ein Gemeindehaus, umziehen. „Dieser Hungerstreik ist kein PR-Gag“, sagt Vastertling. „Ich übertrage dem Innenministerium hiermit die Verantwortung über meine Gesundheit.“ Er sieht seinen Hungerstreik als Akt des zivilen Ungehorsams, obwohl er keine Hoffnung hat, dass das Innenministerium reagieren wird. Und worauf baut er dann? „Ich will viele Menschen auf den Fall der Familie aufmerksam machen, sie motivieren, sich ebenfalls für die Rückkehr Gazale Salames und ihrer Kinder nach Deutschland einzusetzen.“ Vasterling kämpft schon seit drei Jahren für Gazale Salame. Der Hartz-IV-Empfänger interessierte sich schon als 13-Jähriger für Politik. „Damals hing ich in der Realschule Bockenem mit dem linken Haufen zusammen“, erinnert er sich. In den folgenden Jahren verteilte er sein Interesse auf verschiedene politische Gruppen. Er sei etwa für die PDS aktiv gewesen, für die Grünen und auch für die NPD. „Ich war sehr jung, als ich bei der jungen Kameradschaft mitmischte“, berichtet er über seine rechtsextreme Phase. Die Erfahrungen, die er bei seinen politischen Aktivitäten gesammelt habe, hätten ihn dorthin gebracht, wo er nun ist. Heute besitzte er kein Parteibuch mehr. Er sieht sich „mehr in der linken Ecke“, engagiere sich für soziale Gerechtigkeit. „Je länger die Familie von einander getrennt ist, desto mehr entfremdet sie sich“, sagt Vasterling. Am 10. Februar jährt sich der Tag der Abschiebung von Gazale Salame zum dritten Mal.