8.10.07 // Zwangstürkisierung durch das Oberverwaltungsgericht - PE Rechtsanwältin Schäfer
Nach einem 22jährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland soll dem als Klein-kind eingereisten und sehr gut integrierten Ahmed Siala seine auf Grundlage des Bleibe-rechtserlasses von 1990 erteilte Aufenthaltserlaubnis über das Jahr 2001 hinaus nicht verlängert werden.
Der 11. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht begründete dies in seinem am 02.10.2007 verkündeten Urteil damit, dass Ahmed Siala kein Bleiberecht nach dem Erlass von 1990 erhalten konnte, weil er kein Kurde aus dem Libanon mit ungeklärter oder libanesischer Staatsangehörigkeit, sondern tatsächlich türkischer Staatsangehöriger sei.
Dass weder Ahmed Siala, noch sein Vater, jemals in der Türkei lebten, sie kein Türkisch sprechen und sie eine Eintragung in türkische Register, wodurch sie die türkische Staats-angehörigkeit erhalten haben sollen, nicht veranlasst haben, interessiert den Senat dabei ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Registerauszug hinsichtlich Nachnamens, An-zahl, Alter und Vornamen der Geschwister erheblich von den tatsächlichen Familienver-hältnissen des Vaters des Ahmed Siala abweicht.
Während das Oberverwaltungsgericht in seinen Beschlüssen zur Anordnung der auf-schiebenden Wirkung der Klageverfahren im Jahre 2002 die „Ermittlungsergebnisse“ der Ausländerbehörde als zu dürftig befunden hatte, lässt es dieselben Ergebnisse nunmehr plötzlich genügen, um Ahmed Siala zum Türken zu erklären, obwohl er nie in der Türkei lebte, kein Wort Türkisch spricht und auch sein Vater nachweislich bereits im Libanon aufgewachsen ist.
In seinem Beschluss vom 20.06.2002, 10 ME 39/02, hatte der 10. Senat Folgendes aus-geführt:
„Zwar misst der Senat anders als das Verwaltungsgericht der Übereinstimmung der vom Vater des Antragstellers genannten Vornamen seiner Eltern und Geschwister mit den Vornamen der in dem türkischen Registerauszug eingetragenen Personen durchaus einen gewissen Beweiswert zu, der aber angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller bestreitet, sein Vater sei mit der im Register eingetragenen Person identisch, weiter zu untermauern ist. Dem Einwand des Antragsgegners, die Anfor-derungen an die Nachweispflicht der Behörde würden in unzumutbarer Weise erhöht, wenn diese im Falle des Bestreitens der Identität beweispflichtig sei, teilt der Senat nicht. Zum einen berücksichtigt diese Sichtweise nicht, dass ein Ausländer mit ungeklärter Staatsangehörigkeit, der über keine Personenstandsurkunde verfügt, keine andere Möglichkeit als das Bestreiten der türkischen Staatsangehörigkeit hat, wenn diese aufgrund eines Registereintrags vermutet wird. Zum anderen stehen dem Antragsgegner weitere, bisher nicht ausgeschöpfte Ermittlungsmöglichkeiten offen, die der Senat in dem das Verfahren des Vaters des Antragstellers betref-fenden Beschluss vom heutigen Tage – 10 ME 38/02 – aufgezeigt hat, und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.“
Nds. OVG, a.a.O., S. 3
Im Beschluss des Vaters von Ahmed Siala vom 20.06.2002, 10 ME 38/02 hatte das Nie-dersächsische Oberverwaltungsgericht Folgendes ausgeführt:
„Auch wenn der Senat es anders als das Verwaltungsgericht für kaum wahrschein-lich hält, dass der Antragsteller, sofern er mit der in dem türkischen Register einget-ragenen Person identisch sein sollte, von seiner Eintragung in diesem Register bis-her nichts gewusst hat, bedürfen die Umstände der Eintragung, die 1975 erfolgt sein soll, näherer Aufklärung.“
Das Oberverwaltungsgericht hat es sich in dem verkündeten Urteil jedoch nunmehr of-fensichtlich leicht gemacht, indem auf eine Beweisführung seitens des Landkreises ver-zichtet wurde und zweideutige Indizien genügen sollen, um Ahmed Siala zu einem Türken zu erklären, ihm damit seine alte Heimat im Libanon und seine neue Heimat in Deutsch-land zu entziehen.
Nach der Zustellung des Urteils bleibt Ahmed Siala und seiner Familie vorerst nur noch der langwierige Weg zum Bundesverwaltungsgericht.
Wie die vier Kinder und die Eheleute diese länger andauernde Auseinandergerissensein ertragen sollen und welche dauerhaften negativen Folgen diese mehrjährige Trennung für die Kinder haben wird, steht in den Sternen.
Ahmed Siala geht in Deutschland erfolgreich einer Berufstätigkeit nach, womit er auch den Lebensunterhalt seiner zwangsweise in der Türkei lebenden Ehefrau und den beiden Kleinkindern sichern kann. Im Falle einer vorübergehenden Ausreise in die Türkei könnte er bereits mangels Sprachkenntnissen den Lebensunterhalt für seine Familie nicht ver-dienen, auch die beiden schulpflichtigen Töchter sprechen kein Türkisch.
gez. Schäfer
(Rechtsanwältin)