29.6.07 // jw: Ende einer Provinzposse - Verfahren gegen Geschäftsführer des Niedersächsischen Flüchtlingsrates eingestellt

Tageszeitung junge Welt 29.06.2007 / Inland / Seite 4 von Reimar Paul Das Landgericht Hildesheim hat ein Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz gegen den Geschäftsführer des Niedersächsischen Flüchtlingsrates, Kai Weber, ohne Auflagen und auf Kosten der Staatskasse eingestellt. Die zuvor erfolgte Verurteilung zu einer Geldstrafe auf Bewährung durch das Amtsgericht sei damit hinfällig, erklärte Weber am Mittwoch. Das Verfahren ging auf eine Strafanzeige der Polizei zurück. Sie warf Weber vor, als Leiter einer vom Flüchtlingsrat angemeldeten Demonstration in Hildesheim im März 2005 gegen die Abschiebung der Kurdin Gazale Salame gegen Auflagen verstoßen zu haben. So habe Weber Zwischenrufe von Demonstranten nicht unterbunden und nicht verhindert, daß sich Personen bei der Kundgebung auf die Stufen vor der Innenstadtkirche St. Jakobi setzten. Das Gericht verhängte eine Geldstrafe von 150 Euro, Weber ging in Berufung. Die endgültige Einstellung erreichte Weber mit einer schriftlichen Erklärung für das Gericht. Er habe sich seinerzeit »als Demonstrationsleiter darum bemüht, gemeinsam mit den Ordnern eine ordnungsgemäße Demonstration unter Einhaltung der erteilten Auflagen zu gewährleisten«, heißt es darin. Ziel der Demo sei es gewesen, den Protest gegen die Abschiebung von Gazale Salame zum Ausdruck zu bringen. Sie war im Februar 2005 nach 17jährigem Aufenthalt trotz einer bestehenden Schwangerschaft und mit ihrem einjährigen Kind auf Anordnung des Landkreises Hildesheim abgeschoben worden. »Nichts lag uns als Demonstrationsveranstalter ferner, als dieses Ziel durch alberne Regelverstöße und Auseinandersetzungen um Auflagen zu gefährden«, schrieb der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates. »Dieses Verfahren war überflüssig wie ein Kropf«, sagte Weber am Mittwoch gegenüber jW. Zu fragen sei auch nach der Verantwortung für »diese immense Verschwendung von Steuergeldern«. Weber erinnerte daran, daß die rund 200 Demonstranten am 3.März 2005 von einem ebenso großen Polizeiaufgebot begleitet worden seien. »Ein Hubschrauber kreiste über der Demonstration, ein Dokumentationsteam der Polizei filmte zur Beweissicherung jeden Wortbeitrag und jede Bewegung der Demonstranten.« Jetzt sei die »Provinzposse« zwar endlich zu Ende. Nicht zu Ende sei dagegen das Leid der abgeschobenen Familie. »Wir werden weiterhin darum kämpfen, daß Gazale Salame mit ihren beiden kleinen Kindern endlich wieder zu ihrem Mann Ahmed Siala nach Deutschland zurückkehren kann«, versicherte Weber.