4.3.05 // HAZ: Demonstranten ziehen vor das Landkreis-Gebäude und durch die Innenstadt/ 24-Jährige nach 17 Jahren ausgewiesen

Demonstranten ziehen vor das Landkreis-Gebäude und durch die Innenstadt/ 24-Jährige nach 17 Jahren ausgewiesen Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 4.3.05 (c wo) Rund 140 Demonstranten sind dem Aufruf des Niedersächsischen Flüchtlingsrats gefolgt und haben gestern gegen die Abschiebung einer Frau aus Kemme in die Türkei protestiert. Bei einem Zwischenstopp vor der Kreisverwaltung in der Bischof- Janssen- Straße setzte es herbe Kritik an der Ausländerbehörde. Wie berichtet, hatte der Landkreis am 10. Februar die 24-jährige Gazale Salame ausgewiesen, nachdem sie die ihr gesetzte Ausreisefrist hatte verstreichen lassen. Mit dem jüngsten ihrer drei Kinder wurde die schwangere Frau nach Istanbul geflogen, der Lebensgefährte der Frau sowie die beiden sechs und sieben Jahre alten Töchter blieben zurück. Der Landkreis hatte Gazale Salame zur Last gelegt, dass sich ihre Eltern Ende der 80er Jahre auf betrügerische Art das Bleiberecht in Deutschland gesichert hätten. Nach Landkreis-Recherchen hatten die Eltern zunächst unter Angabe ihrer türkischen Personalien erfolglos Asyl beantragt. Dann seien sie untergetaucht und hätten als Palästinenser aus dem Libanon erneut um Asyl gebeten - diesmal mit Erfolg: Das Fehlverhalten der Eltern stellte auch der Flüchtlingsrat nicht in Abrede. Allerdings hätten nun die damals sieben Jahre alte Gazale und ihre Familie, allesamt nicht Türken, sondern staatenlose Libanesen, darunter zu leiden. Das kreiden der Hildesheimer Vorsitzende des Flüchtlingsrats, Kai Weber, und seine Mitstreiter, zum Beispiel der Göttinger Arbeitskreis zur Unterstützung Asylsuchender, der Ausländerbehörde des Landkreises an. Weber war es auch, der die Demonstration angemeldet hatte. Statt der von der Polizei erwarteten 200 Protestierer machten sich am Nachmittag zwar nur 140 auf den Weg, ih- rem Ärger über die "Unmenschlichkeit" des Landkreises verschafften sie dennoch lautstark per Mikrofon Luft. Schluchzend berichtete etwa die Schwester der Ausgewiesenen, dass Gazale Salame nach 17 Jahren in Deutsch- land nun in ein Land habe ausreisen müssen, das ihr fremd sei, dessen Sprache sie nicht einmal spreche. Auch die älteste Tochter Salames griff zum Mikro, bat weinend um die Rückkehr ihrer Mutter. Die Chancen dafür stehen indessen schlecht - auch der Familienvater soll in Kürze abgeschoben werden. Die Demonstration endete nach gut einer Stunde vor der Jakobikirche. Inspektionsleiter Wilhelm Burgdorf, der den Polizeieinsatz an Ort und Stelle geleitet hatte, sprach von einem friedlichen Verlauf. Zu Reibereien zwischen seinen Beamten und den Demonstranten war es nur gekommen, als die Polizisten die Personalien derjenigen Protestierer feststellen wollten, die Flugblätter ohne Impressum verteilt hatten. Zu den Demonstranten zählten auch zahlreiche Familienangehörige und Freunde der ausgewiesenen Gazale Salame. Sie beklagten besonders, dass der Landkreis durch seine Entscheidung die Familie der jungen Mutter auseinander gerissen habe.

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