24.11.06 // Flüchtlinge in Bramsche-Hesepe setzen Kantinenboykott fort

NoLager-Netzwerk Pressemitteilung Pressekontakt: Peer Hilkmann 0160-2027150 - sonstige Informationen zu Bramsche und Blankenburg (OL) sind auf www.nolager.de zu finden 24.November 2006 Flüchtlinge in Bramsche-Hesepe setzen Kantinenboykott fort - sie fordern humane Unterbringung Die Flüchtlinge des Lagers Bramsche-Hesepe befinden sich am 24. November weiterhin im Streik gegen die Kantine der Einrichtung. Es ist nun der 4. Tag und die Anzahl der Streikenden wächst. So beteiligten sich gestern ca. 250 Bewohnerinnen und Bewohner am Kantinenboykott, um gegen die zentrale Essensversorgung und die Lagerunterbringung zu protestieren. Die Lagerleitung in Bramsche-Hesepe zeigt sich bisher desinteressiert und ignoriert den Streik – genauso wie die Leitung in Oldenburg vor einigen Wochen. Dies geschieht trotz einer durch den Rat der Stadt Oldenburg am vergangenen Montag verabschiedeten Resolution, die die Tatsache der Missstände in der ZAAB Oldenburg (Blankenburg) eindeutig verurteilt und eine zentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Frage stellt. Für heute, Freitag, den 24.11., ist um 11.00 h eine Kundgebung auf dem Marktplatz in Bramsche angesetzt, um den Kantinenboykott vor Ort bekannt zu machen. Weiterhin findet am Samstag, den 25.11., eine Demonstration in Osnabrück statt. Startpunkt ist der Hauptbahnhof um 11 Uhr. Verbunden ist der Boykott mit verschiedenen Forderungen an die Lagerleitung und an die politisch Verantwortlichen der Lagerpolitik in Niedersachsen. Die Forderung, sich selbst Nahrungsmittel kaufen zu können, um sie dann selbst zuzubereiten steht, symbolisch für eine Reihe weiterer Forderungen, die die inhumane Unterbringung in Lagern betreffen. Das Lager in Bramsche-Hesepe ist eines von drei Lagern in Niedersachsen. Bramsche-Hesepe ist bürokratisch gesehen die Außenstelle der ZAAB Oldenburg. Das dritte Lager befindet sich in Braunschweig. Die Landesregierung Niedersachsens sieht sich gern in einer Vorreiterrolle, was den Umgang mit Flüchtlingen angeht. Die Ziele der Landespolitik sind dabei zutiefst inhuman. Die Bestrebungen der Politik gehen dahin, möglichst alle Flüchtlinge (ob im Asylverfahren und geduldet) in Lagern unterzubringen. Dieses Ziel wird von Jahr zu Jahr mehr umgesetzt. Bedeutung der Lagerunterbringung für die davon betroffenen Menschen - Alltag und Konzept des Lagers Bramsche-Hesepe: In Bramsche-Hesepe sind Flüchtlinge untergebracht, deren Asylantrag abgelehnt ist, die aber wegen verschiedener Abschiebehindernisse nicht ausreisen können, weshalb sie eine sog. Duldung haben. Außerdem leben dort Flüchtlinge, die sich noch im Asylverfahren befinden, denen aber aufgrund einer Prognoseaussage, die sich auf Listen sog. "sicherer Herkunftsländer" beruft, unterstellt wird, daß ihr Verfahren negativ verlaufen wird. Nach dem Konzept des Lagers werden alle BewohnerInnen der sog. "Freiwilligen Rückkehrberatung" unterzogen. Ihnen wird nahe gelegt, "freiwillig" auszureisen - trotz bestehender Ausreisehindernisse oder ohne Abschluß des Asylverfahrens. Von Freiwilligkeit kann auch kaum die Rede sein. Allein die Bedingungen der Unterbringung sind Teil des Konzeptes, es soll eine völlige Perspektivlosigkeit vermittelt werden: Leben auf engem Raum ohne Privatsphäre und ohne Rücksicht auf Alter und Familienstand. Es besteht keine Notwendigkeit, die Trostlosigkeit des Lagers zu verlassen, da sich sämtliche Behörden, einschließlich einer Kindertagesstätte und einer Schule für die ca. 100 Kinder auf dem Lagergelände befinden (nur eine kleine Minderheit der Kinder darf in die Regelschulen nach Bramsche und Hesepe gehen). Da sämtliche Leistungen als Sachleistungen ausgegeben werden, vom Essen über Kleidung bis Grundausstattung für Hygiene, erhalten die BewohnerInnen nur ein geringes Taschengeld von 39 Euro im Monat. Arbeiten ist nur wenigen Flüchtlingen erlaubt und nur für wenige Stunden in gemeinnützigen Ein-Euro-Jobs. Die "Freiwillige Rückkehrberatung", der die Flüchtlinge unterliegen bedeutet, daß sie aufgefordert werden ein Papier zu unterschreiben, mit dem sie in diese Rückkehr einwilligen. Wenn sie das verweigern, wird angedroht und im zweiten Schritt durchgeführt, daß die ohnehin geringen Geldleistungen verweigert werden. Reiseerlaubnisse, die beantragt werden müssen, um den Landkreis verlassen zu dürfen, werden verweigert. Und es werden Strafbefehle verhängt, in der Regel in der Höhe von 300 Euro oder ersatzweise 60 Tagen Haftstrafe, mit der Begründung, die Flüchtlinge würden ihrer "Mitwirkungspflicht" nicht genüge tun. Unter diesen Bedingungen leben Flüchtlinge - alleinreisende sowie ganze Familien mit Kindern jeden Alters - teilweise schon jahrelang, prinzipiell ist der Aufenthalt unbegrenzt. Vom Gesetz her besteht keine Verpflichtung, Flüchtlinge auf diese Weise unterzubringen und so zu behandeln. Die Entscheidung des Landes Niedersachsen dies zu tun ist eine politische Entscheidung, gegen die sich die Betroffenen wehren, deren Forderungen auch von zahlreichen politischen Organisationen unterstützt werden. Der Zwang zur Verpflegung in der Kantine, die seit Dienstag boykottiert wird, steht symbolisch für die Inhumanität der Lagerunterbringung, zu der u.a. auch die unzureichende medizinische Versorgung gehört. Wir fordern ein Recht auf Selbstbestimmung für alle und ein Leben, daß eine Integration in der Gesellschaft ermöglicht. Die Unterbringung der Flüchtlinge sollte in Wohnungen sein. Eine Voraussetzung für die Teilhabe und Selbstbestimmung der Flüchtlinge ist es, Geld- statt Sachleistungen zu erhalten. Die Forderungen der Flüchtlinge aus den Lagern in Niedersachsen richten sich daher insbesondere gegen die niedersächsische Interpretation des Asylbewerberleistungsgesetzes, in dem es heißt, daß Flüchtlingen "vorrangig" Sachleistungen zu gewähren seien. Die Möglichkeit Geldleistungen auszuzahlen ist in diesem Gesetz aber ebenfalls ausdrücklich vorgesehen, was dazu geführt hat, daß mittlerweile 9 von 16 Bundesländern ganz oder überwiegend auf die Auszahlung von Bargeld an Flüchtlinge umgestiegen sind. Wir fordern von der Landesregierung die Auszahlung von Bargeld an die Flüchtlinge. Flüchtlinge brauchen einen Ort, der sie aufnimmt, an dem sie ankommen. Sie brauchen Unterstützung und Beratung und wollen ihre alltäglichen Lebensbezüge, wie jeder Mensch, selbst bestimmen und gestalten. Das Leben im Lager setzt die Menschen unter permanenten Psychostress und hält sie im Schwebezustand des "Nichtangekommenseins". Bis Anfang November haben BewohnerInnen des Flüchtlingslagers Oldenburg (Hauptlager der Außenstelle Bramsche-Hesepe) einen vier Wochen dauernden Streik durchgeführt, der vorläufig ausgesetzt wurde um Raum für Gespräche über die Lagersituation zu geben. Der Stadtrat von Oldenburg beschloß einstimmig die Einrichtung eines "Runden Tisches" und appellierte an die Landesregierung, die Lagerpolitik zu überdenken. Mit den Protesten in Bramsche-Hesepe wollen BewohnerInnen und UnterstützerInnen deutlich machen, daß auch dieses Lager in die Gespräche mit einbezogen werden muß. Die konkreten Forderungen, die mit den Protesten in Bramsche-Hesepe verbunden sind, lauten: « ernsthafte Gespräche, in denen es nicht nur um Rechtfertigungen geht, sondern darum, daß die in dem Lager zwangsuntergebrachten Menschen im Rahmen der Möglichkeiten menschenwürdig leben wollen « Schließung der Kantine, stattdessen die selbstständige Versorgung mit Lebensmitteln und die Möglichkeit, Essen selbst zuzubereiten « Schließung der Lagerschule, stattdessen der Besuch aller Kinder von Regelschulen mit entsprechenden sinnvollen Förderprogrammen « angemessene medizinische Versorgung, was bedeutet: freie Arztwahl, Gewährung von medizinischen Leistungen, die ärztlicherseits verordnet werden