29.11.06 // JW: Protestaktionen im niedersächsischen Bramsche in zweiter Woche. Dringend Unterstützer gebraucht

junge welt / 29.11.2006 / Inland / Seite 5 Flüchtlinge streiken weiter Protestaktionen im niedersächsischen Bramsche in zweiter Woche. Dringend Unterstützer gebraucht Ralf Wurzbacher Zur Fortsetzung des vor zehn Tagen begonnenen Flüchtlingsstreiks im niedersächsischen Abschiebelager Bramsche-Hesepe bedarf es dringend stärkerer öffentlicher Unterstützung. Dazu haben am Dienstag antirassistische Gruppen und Flüchtlingsinitiativen aus der Region per Pressemitteilung aufgerufen. Eine Verlängerung der Aktion, mit der die rund 300 Insassen auf die menschenunwürdige Heimunterbringung aufmerksam machen wollen, sei am Montag nur »wider Erwarten« beschlossen worden. Eigentlich habe es danach ausgesehen, »daß der Protest abgebrochen werden müßte, weil sich bislang zu wenig Leute in die Unterstützung miteingeklingt haben«, heißt es in dem Schreiben. Etliche Bewohner des in Hesepe, einem Ortsteil von Bramsche, gelegenen Heims hatten am Montag vergangener Woche einen unbefristeten Boykott ihres Kantinenessens gestartet. Hintergrund war ein Beschluß des Rats der Stadt Oldenburg, sich gegenüber der Landesregierung für Verbesserungen bei Unterbringung und Verpflegung im Zentralen Aufnahmelager der Ausländerbehörde (ZAAB) im nahegelegenen Blankenburg einzusetzen (jW berichtete). Vorausgegangen war ein Anfang November beendeter vierwöchiger Streik der mehrheitlich schwarzafrikanischen Insassen. Als Reaktion auf den von einer Welle der Solidarität begleiteten Dauerprotest hat der Stadtrat eine »ernsthafte« und »intensive« Prüfung der Kritikpunkte und die Entwicklung von Lösungsvorschlägen angekündigt. Die Bewohner des Lagers Bramsche-Hesepe fordern nun, in die Gespräche zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen einbezogen zu werden. Unter den unhaltbaren Zuständen hätten dort auch rund 150 Kinder zu leiden, schilderte Malte Kleinschmidt vom Antirassistischen Plenum Oldenburg am Dienstag im jW-Gespräch. In der »Außenstelle« der ZAAB Blankenburg seien vor allem Flüchtlinge mit abgelehntem Asylantrag kaserniert, deren Abschiebung »schnellstmöglich« abgewickelt werden solle. In diesen sogenannten »Ausreisezentren« werde mit allerlei Schikanen »gezielt Druck« auf die Insassen ausgeübt, um die »Ausreise« zu beschleunigen, so Kleinschmidt. Ein Merkmal des »Niedersächsischen Lagersystems« sei insbesondere das »ungenießbare« Kantinenessen. Unter anderem deshalb war es schon in der ersten Jahreshälfte in der Einrichtung zu mehreren Protest­aktionen gekommen. Obwohl die Kampfbereitschaft der Streikenden »unvermindert groß« sei, werde ein Fortgang der Aktion »nur klappen, wenn sich ab sofort mehr Leute an der Organisation beteiligen«, heißt es in besagtem Appell. Gesucht werden Leute, die Essen besorgen, abpacken und liefern können, Geld spenden und sich durch politisches Engagement, Öffentlichkeitsarbeit und Kontakte zu Anwälten und sonstigen Mitstreitern einbringen können. Gegenwärtig organisieren antirassistische Gruppen aus Münster, Vechta, Oldenburg, Osnabrück und Bremen die Streikzuarbeit. Täglich müssen die Bewohner mit Lebensmitteln versorgt werden, die sie sich als Alternative zum »Heimfraß« auf zu diesem Zweck beschafften »Kochgelegenheiten« zubereiten. * Infotelefon: 0160/96857380 oder 0541/7508797 oder 0176/29466343