Dessau, 16.12.09: Polizeiaktion gegen Telecafe am Vorabend der BGH Verhandlung im Fall Oury Jalloh

Pressemitteilungen der Antirassistische Initiative Berlin vom 16.12.2009 Antirassistische Initiative Berlin verurteilt die widerrechtliche Durchsuchung des von Mouctar Bah gegründeten Telecafes in Dessau und protestiert gegen die fortgesetzte Kriminalisierung von Mouctar Bah. Die ARI wertet dies als einen weiteren Anlauf, die Schließung dieses Treffpunkts der Schwarzen Community in Dessau durchzusetzen. Heute Abend kam es zu einer groß angelegten Durchsuchung des von Mouctar Bah, Sprecher der Initiative Oury Jalloh Dessau, Preisträger der diesjährigen Carl-von-Ossietzky-Medaille, gegründeten Telecafes und Treffpunkts der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. Dies erfolgt nicht zufällig nur wenige Tage nach der Preisverleihung durch die Internationale Liga für Menschenrechte und einen Tag vor der Revisionsverhandlung zum Oury Jalloh Prozess vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Mouctar Bah traf sich gerade mit einigen Genoss_innen für die gemeinsame Fahrt zu diesem Prozess, als ein Großaufgebot der Polizei das Telecafe stürmte. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 9 Personen im Telecafe, teils Internetkund_innen, teils Aktivist_innen auf dem Weg nach Karlsruhe. Teilweise mussten sich die Anwesenden auf den Boden legen. Auf die Frage von Mouctar Bah nach einem Durchsuchungsbefehl und einem Wortwechsel wurden die Anwesenden angeschrieen: "Ihr sollt die Fresse halten". Einen Durchsuchungsbefehl gab es nicht. Der Einsatz dauerte 4 1/2 Stunden (14-18:30 Uhr). Es wurden Polizeihunde eingesetzt. Die Straße war so weit man sehen konnte voller Polizeifahrzeuge. Dies alles deutet auf eine längere Vorbereitung hin. Mouctar Bah rief sofort seinen Anwalt an. Obwohl dieser die Polizei auf ihr rechtswidriges Verhalten hinwies, setzten diese die Durchsuchung des Telecafes unbekümmert fort. "Wir fühlen uns diskriminiert, schikaniert und beleidigt", so Mouctar Bah. Ziel dieser Maßnahme ist nach Ansicht von Mouctar Bah die Schließung dieses Treffpunkts der Schwarzen Community in Dessau. Wie schon mehrfach in der Vergangenheit (zuletzt mit einer Durchsuchung am 21.7.2009, siehe Presseerklärung der ARI vom 22.7. im Anhang) versuchen die Dessauer Behörden Mouctar Bah systematisch zu kriminalisieren und damit sein politisches Engagement zu entwerten. Mouctar Bah ist seit dem Mord an seinem Freund Oury Jalloh unermüdlich für die Aufklärung der Tat aktiv gewesen. In der Vergangenheit nahm das Ordnungsamt Dessau rassistische Anfeindungen von Nachbarn seines Internetladens in Dessau zum Anlass ihm die Lizenz für den Laden zu entziehen. Wir protestieren entschieden gegen die Kriminalisierung von Mouctar Bah sowie anderer politischer AktivistInnen. Pressemitteilungen der Karawane Hamburg vom 16.12.2009 Mehrere Polizisten drangen am 16.12.09 gegen 14 Uhr in das Telecafe, wo nach dem grausamen Tod Oury Jallohs sein Freund Mouctar Bah zusammen mit anderen die "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" gründeten. Die Polizisten kamen ohne einen richterlichen Beschluss. Der Einsatzleiter war auf dem Präsidium geblieben. Ein Beamter vor Ort sprach vom neuen Polizeigesetz und von verrufenen oder verruchten Orten und dass dies jetzt erlaubt sei. Mehrere Personen, die sich im Laden aufhielten, wurden kontrolliert. Die Polizei durchsuchte das Telecafe ohne Zeugen. Herrn Mouctar Bah und anderen Anwesenden wurde die Beobachtung der Durchsuchung verweigert. Über vier Stunden dauerte die Aktion in den kleinen Räumen des Telecafes. Auch ein Polizeihund wurde durch den Laden gebracht. Genau wie die Beamten ohne ein rechtliches Schriftstück kamen, so verließen sie den Laden ohne ein Protokoll o.ä. zu hinter lassen. Herr Bah versuchte während der gesamten Zeit mit dem Einsatzleiter des polizeilichen Überfalls zu sprechen. Dieser allerdings blieb die ganze Zeit über in der Polizeistelle Dessau-Roßlau. Auf unsere Nachfragen bei der Polizeidirektion hieß es, dass die Durchsuchung im Rahmen einer Aktion gegen den Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BTM) stattfindet. Mehr Informationen wollte Herr Dammenheim von der Polizeiführung nicht geben und zitierte eine Presseerklärung, die der Dessauer Staatsanwalt Herr Preissner zusammen mit der Pressesprecherin der Polizeidirektion Frau Wendland heute an die Presse weitergeleitet haben. In dieser wird mitgeteilt, dass die Ergebnisse der heutigen Aktion im Laufe des morgigen Tages, als am 17.12.2009 der Öffentlichkeit präsentiert werden. Zur gleichen Zeit findet morgen, am 17.12. 2009, vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe die Verhandlung über die Zulassung der Revision im Verfahren Oury Jalloh statt. Herr Bah und weitere Mitglieder der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" trafen zur Zeit der Polizeiaktion gerade ihre Vorbereitung für die Fahrt nach Karlsruhe. Morgen, wenn der Fall Oury Jalloh wegen des Revisionsverfahren und des BGH Termins die Presseaufmerksamkeit auf sich zieht, werden die Polizeidirektion Dessau und Staatsanwalt Preissner ihre eigenen Nachrichten mit einer BTM-Aktion im Dessauer Stadtgebiet machen. Staatsanwalt Preissner war der leitende Staatsanwalt im Dessauer Polizeiverfahren. Er hat verhindert, dass offene Ermittlungen zum Tod Oury Jallohs in alle Richtungen geführt werden. Er hat von Beginn die These oder Schutzbehauptung der Polizei vertreten- Oury Jalloh habe sich selbst verbrannt. Alle "Ermittlungspannen", die verschwundenen Beweismittel und die zahlreichen Lügen der PolizistInnen vor Gericht haben nichts daran geändert. Aber es hat einer größeren Öffentlichkeit vor Augen gebracht: Oury Jallohs grausamer Feuertod war Mord. Die fortgesetzte Arbeit der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" ist den Behörden weiter ein Dorn im Fleisch. Deswegen wird immer wieder Herr Bah und das Telecafe in Dessau zum Angriffsziel. Während Herr Bah von zivilgesellschaftlichen und Menschenrechtsorganisationen für sein Engagement gegen Rassismus und Polizeigewalt mit Ehrungen ausgezeichnet wurde, haben die Dessauer Behörden seit dem ersten Protest für die Aufklärung der Todesumstände Oury Jallohs eine Diffamierungs- und Verfolgungskampage gegen Herrn Bah begonnen. Sein Laden und seine Gewerbelizens wurden ihm entzogen. Mehrere Verfahren wegen angeblicher Beleidigung u.ä. geführt und wieder eingestellt. Nur vier Tage nachdem Herr Bah in Berlin von der Internationalen Liga für Menschenrechte für sein Engagement mit der "Carl-von-Ossietzky-Medaille" geehrt wurde, ist er wieder zur Zielscheibe der Dessauer Polizei geworden. Die "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh", The VOICE Refugee Forum und die KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen verurteilen die willkürliche und rechtlich unhaltbare Polizeiaktion. Alle diese Versuche der Bedrohung und Einschüchterung werden unseren Kampf gegen rassistische Polizeigewalt und staatlichen Rassismus und unsere Solidarität mit den Angegriffenen stärken. *Oury Jalloh -- das war Mord! Gedenkdemonstration zum 5. Jahrestag am 07. Januar 2010 14 Uhr Dessau Hauptbahnhof

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