Der Kampf der Flüchtlinge aus Katzhütte/Thüringen (Februar bis Mai 2008)

Im Februar 2008 wandten sich mehrere Flüchtlinge aus der sogenannten „Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber“ Katzhütte/Thüringen hilfesuchend an eine Versammlung von The VOICE Refugee Forum, welche zu diesem Zeitpunkt gerade in Jena tagte. Sie suchten nach Unterstützung, um die unsäglichen Zustände im dortigen Barackenlager sowie die vorherrschende Willkür von Behörden und Lagerleitung öffentlich zu machen und zu bekämpfen. [Text als .doc mit Anmerkungen und Links] Konkret handelt es sich um ein altes DDR-Sommerferienlager aus den 60iger Jahren zur nunmehr ganzjährigen Unterbringung von Asylbewerbern mit jährlich überpinseltem Schwarzschimmel in 2 Bungalows, undichten Dächern, teils daumenbreiten Rissen in den Wänden, aufsteigender Feuchtigkeit, fehlender Isolation, einer überalterten bzw. überlasteten Warmwasseranlage, welche nach dem Duschen von mehreren der 88 Heiminsassen nicht mehr genügend Heizleistung produzieren konnte, dem teils mehrere hundert Meter betragenden Weg zu und von den Gemeinschaftsduschen bzw. der Gemeinschaftsküche (vor allem im Winter!), mangelnder Bereitstellung von Toilettenpapier, Schikanierung durch die Heimleiterin und Verletzung des Postgeheimnisses sowie anderweitiger Privatsphäre, willkürlich verzögerter Herausgabe von Behandlungs(gut)scheinen bei Krankheit durch die Heimleiterin, Nichtbearbeitung von Anträgen und Verdrehung von Tatsachen durch die zuständige Ausländerbehörde Saalfeld/Rudolstadt, dem langen (1,5 h Zugfahrt) und kostenpflichtigen Anreiseweg zur Behörde in Saalfeld, einem Gutscheinsystem mit 2-maliger „Auszahlung“ pro Monat und beschränkter Einkaufsmöglichkeit in Katzhütte (tegut und Schlecker – bei letzterem ohne Restwertausgleich), Residenzpflicht sowie Nichtgewährung von Arbeitserlaubnissen und Bleiberechten trotz jahrelangen Aufenthaltes in Deutschland. (Wir wollen in normalen Häusern wohnen und nicht in Baracken! und Stellungnahme der Bewohner der GU Katzhütte zum Besuch der Vertreter von Stadt und Land am 26.02.2008 ) Nach dieser Veröffentlichung der Zustände im Internet, der lokalen und überregionalen Presse sowie im Landesfernsehen durch Julia Cruschwitz vom MDR bei „Hier ab vier“ am 04.03.08 Katzhütte Germany: Wir wollen in normalen Häusern wohnen I ) und offener Einladung der interessierten Öffentlichkeit ins Lager nach Katzhütte für den 11.03.08 reagierte das zuständige Landratsamt Saalfeld/Rudolstadt mit einer Pressemitteilung und der Ausübung des Hausrechtes (Katzhütte Germany: Wir wollen in normalen Häusern wohnen II ). Als weiteres Ergebnis dieser Öffentlichkeitsarbeit entstand die erste überregionale Reportage in der weit verbreiteten Tageszeitung „taz“ (Katzhütte: Emanzipatorische Flüchtlinge) Die Strategie der zuständigen Behörden bestand und besteht in reflexartiger Verharmlosung der realen Zustände, offensiver Vertuschung eigener Versäumnisse und der Verleugnung verwaltungsrechtlich möglicher Handlungsspielräume bei gleichzeitig gebetsmühlenartigem Verweis auf gehorsamen Weisungsvollzug sowohl innerhalb der Behörde selbst, als auch bezüglich (vor)gesetzlich gegebenen Landes- und Bundesautoritäten. Diese Reaktionsweisen sind weder neu, noch neuerdings weniger destruktiv – weder für die Betroffenen selbst, noch für die basisdemokratisch engagierte Öffentlichkeit (Landkreis stellt sich seit Jahren Verantwortung für Flüchtlinge oder auch Katzhütte: Offen für Gespräche mit den Bewohnern) In Kooperation mit der Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen wurde bundesweit eine Faxkampagne organisiert, welche eine Unterschriftensammlung der Katzhütter Flüchtlinge in Saalfeld unterstützen sollte (Katzhütte Aufruf: Kundgebung in Saalfeld am 31. März 2008 – 11:30 Uhr und http://thecaravanorg/files/caravan/katzhuettemusterbrief1_de.pdf), nach der dem Landratsamt am 31.03.08 ca. 300 Unterschriftenzettel übergeben werden konnten (Presse: Flüchtlinge demonstrieren gegen Missstände in Asylbewerberheim). Gleichzeitig wurde der zuständigen Landrätin in Saalfeld, Frau Marion Philipp (SPD) eine Bitte um Stellungnahme zur Verantwortung in Katzhütte - The VOICE Forum (Jena) übersandt, welche nie die Gnade einer Antwort fand. Wohl aber fand sich Frau Philipp nunmehr bereit, mit den ebenfalls involvierten, offiziellen deutschen Flüchtlingsverbänden und -betreuungsorganisationen (Flüchtlingsrat Thüringen e.V. und REFUGIO Thüringen e.V.) in einen „Dialog“ einzutreten, welcher im Nachhinein durch massive Verdrehungen der Tatsachen in einer von der landratsamtlichen Pressestelle in einem lokalen Printmedium lancierten Meldung nur noch weitere, berichtigende Reaktionen der beteiligten Vertreter nach sich zog (Hinter den Kulissen laufen Gespräche zu Katzhütte) – und ziehen musste! Am gleichen Tag wurden die amtlichen Antragsformulare der protestierenden Flüchtlinge durch die beteiligten Flüchtlings(hilfs)organisationen einzelfallmäßig dokumentiert und im Folgenden behördlich aktualisiert, um den verständnislosen Autoritäten im Amt ihre Augen für weiterführend humanitäre Argumentationshilfen und Lösungsvarianten öffnen zu helfen. Die durch die Saalfelder Unterschriftensammlung und die schon länger anhaltende, kontroverse Berichterstattung über ihren Landkreis aufmerksam gewordenen Bürger und Aktivisten der Stadt riefen nun ihrerseits zu einer Kundgebung und Demonstration unter dem anlässlich der Unterschriftenaktion entwickelten Motto: „Abschiebung oder Schimmelpilze – wer die (keine?) Wahl hat, hat die Qual“ bei ausdrücklicher Unterstützung der Forderungen der Katzhütter Flüchtlinge auf und luden gemeinsam mit Ihnen interessierte Verbände und Organisationen ein, auf die sie ihrerseits wiederum mit einer Informationsveranstaltung auf dem Saalfelder Marktplatz („Probewohnen im Lager“) aufmerksam machten (Schimmelpilze oder Abschiebung - Demo zur Schließung des Lagers Katzhütte). Bei dieser Kundgebung hatten die Flüchtlinge nun schon zum zweiten Male die Möglichkeit erhalten, Ihrem Protest öffentlich und diesmal auch im Angesicht der Behördenresidenz lautstark und nachhaltig Gehör zu verschaffen (Presse// Demo zur Schließung des Lagers Katzhütte in Saalfeld). Vor dem Hintergrund, dass Katzütte keineswegs einen Einzelfall im Umgang mit Flüchtlingen in Thüringen oder Deutschland insgesamt darstellt (Erklärung der Bewohner und Bewohnerinnen der Flüchtlingsunterkunft in Nördlingen und Posseck Flüchtlingslager: Ein Bericht des The VOICE Refugee Forum – Treffens in Jena), ergab sich die Notwendigkeit für einen Erfahrungsaustausch von Asylbewerbern aus verschiedenen Lagerstandorten, zu dem vom 25. bis 27.04.2008 in Jena und Katzhütte eingeladen wurde (Wir rufen zur Schließung der Isolationslager in Deutschland auf!). Im Rahmen dieses Aktionswochenendes kam es auch zu einem Solidaritätsbesuch der Teilnehmer im Lager Katzhütte, welcher durch die Behörde in Saalfeld vermittels eines vorsorglich verstärkten Sicherheitsdienstes zur Durchsetzung eines weitreichenden „Hausverbotes“ zu verhindern versucht wurde (Repression gegen Solidaritätsdelegation in Katzhütte und ). Die Erfahrungen und Erlebnisse der verschiedenen Flüchtlingsvertreter wurden dokumentiert (Der psychologische Druck / Psychoterror in Thüringen/Deutschland) sowie die Erstellung einer allgemeinen Informationsschrift für Flüchtlinge in Deutschland (Asylpolitik Deutschlands und Rechte von Asylbewerbern) vereinbart. Darüber hinaus wurde die Benennung und Einbeziehung des zuständigen Betreibers vieler Asylbewerberheime in Ostdeutschland und Niedersachsen (K&S Dr. Krantz Sozialbau und Betreuung GmbH&Co.KG - „gut betreut leben“ und „Der Mensch steht im Mittelpunkt“ - K&S Dr. Krantz Sozialbau und Betreuung) mit Sitz in Sottrum bei Bremen als weiterer Adressat für die Proteste durch das Netzwerk beschlossen (Pressemitteilung: Protest bei K&S in Sottrum/Niedersachsen). Da das Landratsamt anlässlich der ersten Demonstration in Saalfeld vollmundig versprach alle baulichen Unzulänglichkeiten bis Ende April beseitigt zu haben wurde eine entsprechende 2. Anfrage bezüglich Katzhütte formuliert – genau wie die erste Anfrage wurde allerdings auch diese nicht mit einer Antwort gewürdigt. Interessanterweise ist aber der bisher zuständige Fachdienstleiter Jugend und Soziales Dr. Jörg Fischer aus Gewissensgründen zurückgetreten bzw. hatte er seinen Probevertrag mit dem Landratsamt nicht verlängern lassen. Im weiteren Ablauf der Ereignisse entschied sich die Ausländerbehörde des Landkreises zunächst dazu die beiden aktiven Sprecher des Protestes Herrn Mohammed N.S. Sbaih und Saadad Mustafa Sajren zwangsweise nach Eisenach (Westthüringen) bzw. Greiz (Südostthüringen) zu verlegen - Nachrichten aus Thüringen//Katzhütte: Flüchtlingssprecher zwangsverlegt. Der Protest gegen diese Form der Gewaltanwendung war vielschichtig und RA Bertram Fritzenwanker aus Saalfeld, der zwischenzeitlich die juristische Vertretung von 9 Katzhütter Asylbewerbern übernommen und entsprechende Hintergrundgespräche mit der Landrätin Frau Marion Philipp (SPD) geführt hatte, erstattete aufgrund dieser erneuten Willkürmassnahme Strafantrag im Namen seiner Mandanten (Katzhütte: Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt - zwischen Wahrnehmungstrübung und Realitätsverlust). Die „Gemeinschaftsunterkunft“ Katzhütte wurde zu einem wahrhaft `Potemkinschen Dorf´ umgestaltet: die meisten Familien mit Kindern hatten Angebote der Behörde in städtische Asylbewerberunterkünfte des Landes Thüringen umzuziehen nicht ablehnen wollen, das Dach eines Bungalows wurde mit Wellblech `neu gedeckt´, Risse in den Aussenwänden zugeschmiert und schliesslich auch noch der Schwarzschimmel schnell mit Farbe überpinselt ... und nun konnte endlich auch ein seit Februar angemahnter Begehungstermin mit der Landessprecherin der Grünen, Frau Astrid Rothe-Beinlich durchgeführt werden (Katzhütte- Astrid Rothe-Beinlich: Bericht zum Besuch vor getünchten Wänden und Landratsamt Pressekonferenz: Ironie des Dialoges über Flüchtlinge - ohne sie//Plausch vor geräumter Kulisse). Und wieder bestätigt sich die doppelbödige Hinterhältigkeit des Landratsamtes in seiner Aussendarstellung (Gemeinschaftsunterkunft Katzhütte besichtigt) – sämtliche Protestparteien und sogar der zuständige Pfarrer waren ausdrücklich von der Veranstaltung ausgeladen worden. Der vorerst letzte Coup in der Abfolge Repressalien gegen die protestierenden Flüchtlinge aus Katzhütte war die Abschiebeankündigung gegen Sprecher der Flüchtlinge von Katzhütte vom 19.05.2008 durch das Thüringer Landesverwaltungsamt, welche jedoch am 20.05.2008 per Eilentscheid des Verwaltungsgerichtes in Meiningen zunächst aus formalen Gründen untersagt wurde (Gericht untersagt die Abschiebung des Flüchtlingssprechers Mohammed Sbaih). The Voice Refugee Forum Der Kampf geht weiter: Kommt zur Demo in Saalfeld am 05.06.2008 - Schliessung des Asylbewerberlagers Katzhütte! Karawane Aufruf zur Solidarität mit dem Flüchtlingskampf in Thüringen Hier noch einige Informationen zu unserer Selbsthilfeorganisation für Flüchtlinge in Deutschland: allgemeine Informationen über The Voice Refugee Forum Germany Für unseren Kampf für die Rechte der Flüchtlinge in Deutschland sind wir dringend auf Spenden für unsere Arbeit angewiesen!: Förderverein The VOICE e. V., Göttingen Bank: Sparkasse Göttingen Bank Account: 127 829; Bank Code: 260 500 01 IBAN: DE97 2605 0001 000 1278 29, BIC: NOLADE21GOE

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