FLUTEN 3.0 im gemischten Doppel
„Für freies Fluten“ war der provozierende Schluss-Slogan in ihren Bekennerschreiben: Mitte der 80er Jahre, in Zeiten zunehmender rassistischer Hetze gegen „Flüchtlingsfluten“, hatten revolutionäre Zellen eine militante Aktionskampagne gegen Ausländerbehörden und Kontrollregister gestartet. Anfang der 90er Jahre dann nahmen antirassistische Initiativen in ihren Gruppennamen die Parole zum 2. Mal auf. Und nun - so allerdings nur eine der möglichen Interpretationen – taucht das Fluten als 3.0 erneut in Erscheinung: „Wir FLUTEN den Hamburger Airport. Egal wie, mit was, durch wen… Ob adrett im Smoking, touristisch mit Rollköfferchen, laut durch Soundanlage, authentisch mit Flugticket, plakativ mit Transpis, wütend mit Sonnenbrille, bunt als Clowns. einfach ganz-so-wie-du-es- willst… FLUTEN heißt kreativ sein, heißt den Flughafen irgendwie lahm legen, so lange wie wir können...“.
Hintergrund für die geplante spektakuläre Aktion, die bereits im Vorfeld den Fluggesellschaften offensiv angekündigt werden soll, sind in erster Linie die Euro-Abschiebe-Charter, die von Hamburg aus bereits mehrfach in Richtung Afrika gestartet sind. Die Hamburger Ausländerbehörde nimmt bei diesen „Rückführungsflügen“ seit September 2006 eine Vorreiterrolle ein und trifft dabei zudem auf ein ausdrücklich formuliertes Arbeitsfeld der europäischen Grenzschutzagentur Frontex: Koordinierung und Forcierung europaweiter Sammelabschiebungen. Als Teil der transnationalen Aktionskette geht es in Hamburg mit der Fluten-Aktion also um die öffentlichkeitswirksame Skandalisierung des zunehmend europäisierten Abschieberegimes.
Wie alles anfing ...
Die Idee zum Hamburger AntiRa-Camp entstand im Juli letzten Jahres beim Weißwurstfrühstück in den Münchener Isar-Auen. 10 Jahre kein mensch ist illegal war am Vorabend gefeiert worden. Nostalgische Gefühle bei alten Grenzcamp-Filmen trafen auf frische Anti-G8- und 5-Finger-Taktik-Begeisterung: Irgendwie muss es doch offensiv weiter gehen! Hamburg schien das nötige Potential zu bieten: mit einer handlungsfähigen Scene als Basis, mit dem berühmt-berüchtigten Charter-Abschiebe-Flughafen als zentralem Aktionsziel. Nach einigen lokalen Sondierungstreffen war es dann wirklich soweit: Anfang Januar wurde zum ersten bundesweiten Vorbereitungstreffen geladen, und seitdem nimmt das AntiRa-Camp 08 immer klarer Gestalt an. Auf dem Programm steht neben Fluten 3.0 eine Protestaktion vor der Akademie der Bundespolizei in Lübeck, in der regelmäßig Frontex-Schulungen abgehalten werden. Außerdem eine Schnitzeljagd zur Hamburger Ausländerbehörde und anderen Adressaten, die in Abschiebegeschäfte verwickelt sind. Schließlich sind mit geplanten Aktionen vor einer Supermarktkette sowie bei Profiteuren des Ilisu Staudammprojektes in Türkei/Kurdistan die „praktischen Brücken“ in Richtung Klimacamp gelegt. Denn Supermärkte stehen nicht nur wegen der krassen Ausbeutung migrantischer Arbeit auf den Gemüseplantagen in der Kritik sondern auch wegen der ökologisch verheerenden Produktionsweise. Der Staudamm führt nicht nur zur weiteren Vertreibung kurdischer KleinbäuerInnen sondern dient nicht zuletzt der Kontrolle der strategischen Ressource Wasser.
Kombiniertes Doppelcamping? – Nein, oder doch!
Bereits im vergangenen Herbst hatte auch die Vorbereitung für ein 1. Klimacamp begonnen, das ebenfalls eine größere Mobilisierung für den Sommer 2008 versprach. Vor dem Hintergrund der parallelen Ansätze AntiRa und Klima hatten wir uns Ende 2007 an der Veröffentlichung von zwei Texten beteiligt, die zunächst für ein „Mehrsäulencamp“ und dann zumindest für ein „kombiniertes Doppelcamping“ plädierten. Damit sollte eine Zersplitterung der Mobilisierungen vermieden und stattdessen versucht werden, „im Jahr 1 nach Heiligendamm“ mit der Zusammenführung der 2 Campprojekte und einer entsprechenden „kritischen Masse von einigen tausend Beteiligten“ an der Handlungsfähigkeit des Anti-G8-Sommers anzuschließen. Doch die jeweiligen Partikularinteressen mit dem Beharren auf den eigenen inhaltlichen Schwerpunkt verhinderten zunächst ein zeitlich-räumliches Zusammenkommen. Zum denkwürdigen Höhepunkt gerieten dabei die Berliner Perspektiventage im Januar, wo 99% des Abschlussplenums energisch für ein großes gemeinsames Campprojekt votierten, während die konkreten Vorbereitungen weiter auseinanderliefen. Es bedurfte schließlich einiger weiterer Wochen insbesondere im Klimacampprozess (hier nicht auszuführender „Geisterfahrten“ über den Standort Hanau und zurück), bis nun überraschenderweise doch noch in Hamburg „zusammengewachsen ist, was zusammengehört“. AntiRa- und Klimacamp führen ihre jeweils eigenen Vorbereitungsprozesse weiter, doch Infrastrukturen und Aktionsplanungen werden eng aufeinander abgestimmt und insbesondere zu den zwei Grossaktionen wird gemeinsam mobilisiert.
Trans- Act!
Gemeinsam mit den Gruppen NoLager aus Bremen und Six Hills aus Berlin haben wir uns vorgenommen, unter dem Slogan „Trans-Act!“ die inhaltliche sowie praktische Verknüpfung beider Camps zu betonen und die jeweiligen Forderungen in einem gemeinsamen Kampf für globale soziale Rechte stark zu machen. Entsprechend ist in unserem aktuellen Flyer formuliert: „ Erster Aufruf zur massenmilitanten Untersuchung: ... am 22.8. antirassistisch am Hamburger Abschiebeflughafen! ... am 23.8. klimapolitisch am Hafen oder in Moorburg! Fünf-Finger-Taktiken in Hamburg? Wir wollen mit flexiblen, verwegenen und unberechenbaren Aktionen an den Erfahrungen von Heiligendamm anknüpfen. Und dabei nicht nur Diskurse verrücken, sondern auch unmittelbar und direkt intervenieren!
Das EU-Grenzregime - mit FRONTEX an der Spitze, die Illegalisierung von MigrantInnen, das Einsperren von Flüchtlingen in Lagern, die Abschiebemaschinerie - alles fluten!
Das Gerede einer "ökologischen Marktwirtschaft" zur Lösung der Klimakrise - praktisch demaskieren!
Das Ausblenden sozialer Widersprüche und ihrer Zuspitzung, hier wie im globalen Süden - offensiv widersprechen! (...)
Für uns ist dies nicht zuletzt der Versuch, einiges von der Energie und der Dynamik aus dem Sommer 2007 mitzunehmen und einmal mehr die Potentiale einer breiten Mobilisierung zur Geltung zu bringen: für inhaltliche Querverbindungen und einen praktischen Bündnisprozess, für erweiterte Handlungsfähigkeiten und radikale Öffentlichkeit!
Social change, not Climate Change - Freedom of Movement!
Für ein ganz anderes Klima - Globale Soziale Rechte aneignen!“
kmii Hanau, Mai 08