Next Station Frontex

Im Rahmen einer transnationalen Aktionskette wird am 6. Juni erstmals das Hauptquartier der „europäischen Grenzschutzagentur“ in Warschau zum Ziel einer Protestaktion Migrationsbezogene Gruppen und Netzwerke haben im Februar dieses Jahres eine transnationale Aktionskette gestartet, die sich quer durch Europa und bis nach Afrika über 10 Stationen gegen das EU- Grenz- und Abschieberegime richtet sowie insbesondere die Ausbeutung migrantischer Arbeit thematisiert. Im Aufruf heißt es dazu: „Auf der ganzen Welt gründet die kapitalistische Ausbeutung auf einem globalen Gefälle, das durch Filter und Zonen, mittels Hierarchien und Ungleichheiten, sowie durch äußere und innere Grenzen bewußt hergestellt wird. Illegalisierung und Abschiebung einerseits, selektiver Einschluss und Anwerbung von migrantischen Arbeitskräften andererseits, es sind zwei Seiten derselben Medaille: es geht um Migrationsmanagement für eine globales Apartheid-Regime, dessen höchst prekäre Ausbeutungsbedingungen auf der Produktion immer neuer Hierarchien und abgestufter Rechte sowie rassistischen Diskriminierungen basieren.“ Stationen der Kette waren bisher u.a. Sevilla Ende Februar mit einer Demonstration gegen Prekarisierung und für Legalisierung, aber auch Bamako Mitte März mit einer beeindruckenden Konferenz von aus Europa abgeschobenen bzw. an seinen Außengrenzen gescheiterten MigrantInnen (1). Am 6. Juni wird die Kette nun in Warschau fortgesetzt: mit einer Protestaktion direkt vor dem Hauptquartier von Frontex! Denn es ist diese „europäische Grenzschutzagentur“, die bei der Verschärfung des Grenzregimes sowie der Vorverlagerung in Richtung Süden und Osten eine immer zentralere Rolle spielt und die damit für das Massensterben an den Außengrenzen eine unmittelbare Verantwortung trägt. Bereits am Abend des 5. Juni soll in Warschau eine öffentliche Veranstaltung stattfinden, in der die Kritik an Frontex aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Erfahrungshorizonten zusammengeführt wird. Dazu werden nicht nur AktivistInnen von den EU- Südgrenzen (Spanien, Italien, Griechenland) erwartet, wo Frontex immer offensichtlicher als „Eingreiftruppe gegen illegale Migration“ in Erscheinung tritt. Eingeladen ist auch eine Menschenrechtsgruppe aus Mauretannien, in deren Hafenstädten Frontex kleine Stützpunkte unterhält, um direkt vor der westafrikanischen Küste potentielle Boatpeople abzufangen. Und vor dem Hintergrund, dass Frontex zunehmend sog. „Landoperations“ an den östlichen EU- Außengrenzen durchführt, sind nicht zuletzt auch VertreterInnen aus Ungarn und der Ukraine angesprochen, um zu ihrer Situation zu berichten. Der 6. Juni wird am Mittag mit einer entsprechend transnational zusammengesetzen Pressekonferenz beginnen, die hoffentlich nicht nur in Polnischen Medien Widerhall findet. Die Mobilisierung und Vorbereitung der Protestaktion selbst wird vor allem von Gruppen aus Polen und Deutschland getragen, und 50 bis 100 TeilnehmerInnen sind jedenfalls zu erwarten. In Form einer Kundgebung und mit vielen großen Transparenten soll dann der Eingang des sehr öffentlichkeitswirksam in der Warschauer Innenstadt gelegenen Hochhausgebäudes belagert werden, in dem die Frontex-Behörde mit ihren zur Zeit 80 bis 100 Mitarbeitern im 22. Stockwerk residiert. Ein zeitgleich geplanter Onlineprotest, mit dem eine „virtuelle Aktionstag-Beteiligung gegen Frontex von überall“ ermöglicht werden sollte, ist zunächst aufgeschoben worden, aber eben nicht aufgehoben. Vielmehr soll dieser Vorschlag alsbald erneut aufgegriffen werden, als Teil einer längerfristigen Kampagne, für die der 6. Juni einen eigentlich längst überfälligen Auftakt bildet. Denn Frontex verkörpert bereits heute alle Brutalität des Grenzregimes und im Kampf um Bewegungsfreiheit wird diese Behörde erst recht in Zukunft der schärfste Gegner werden (siehe dazu den Text auf Seite ...). Insofern ist es kein Zufall, dass Frontex schon im August erneut und gleich doppelt zum Thema gemacht wird: im Rahmen des Antirassistischen Camps, das vom 17. bis 24.8. in Hamburg seine Zelte aufschlagen wird. In Planung ist einerseits ein Protest vor der Akademie der Bundespolizei in Lübeck, in der regelmäßig Frontex- Schulungen abgehalten werden, um Menschenjäger aus allen Ländern Europas entsprechend der gemeinsamen Standards auszubilden. Zum anderen wird Frontex auch beim anvisierten aktionistischen Höhepunkt des Camps ein zentraler inhaltlicher Bezugspunkt sein. Wenn am Freitag, dem 22.8., in einer mit „Fluten 3.0“ titulierten Grossaktion der Hamburger Flughafen besucht, belagert und beströmt wird, dann vor allem wegen der Euro-Abschiebe-Charter, die von hier aus schon mehrfach in Richtung Afrika gestartet sind. Die Hamburger Ausländerbehörde nimmt bei diesen „Rückführungsflügen“ seit September 2006 eine Vorreiterrolle ein (2) und trifft dabei auf ein weiteres ausdrücklich formuliertes Arbeitsfeld von Frontex, das im Katalog ihrer migrationspolitischen Grausamkeiten selbstverständlich nicht fehlen darf: die Koordinierung und Forcierung europaweiter Sammelabschiebungen. h., kein mensch ist illegal, Hanau (1) siehe Aufrufe, Berichte und Fotos zur „transnational Chain of Actions“ auf der englischsprachigen Webseite www.noborder.org (2) Das "Zeit"-Magazin vom 10.1.2008 hat eine fakten- und bilderreiche Reportage über die erste deutsche Charterabschiebung mit EU-Mitteln veröffentlicht, die am 18.9.2006 ab Hamburg nach Guinea, Togo und Benin ging. An Bord war im übrigen auch ein Frontex-Vertreter.

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