3.8.07// PE: Tödliche Schüsse marokkanischer Ordnungskräfte auf Migranten *** Zwei Tote, zwei Schwerverletzte
Pro Asyl
Presseerklärung
3. August 2007
Tödliche Schüsse marokkanischer Ordnungskräfte auf Migranten
Zwei Tote, zwei Schwerverletzte
PRO ASYL: Resultat des Druckes der EU
Nach Berichten von Nichtregierungsorganisationen aus Marokko sind marokkanische Ordnungskräfte in der Nacht vom 30. zum 31. Juli 2007 in Laâyoune/Südmarokko mit Schüssen gegen Menschen vorgegangen, die versuchten, das Land per Boot zu verlassen. Zwei Menschen sollen getötet worden sein, zwei wurden nach Angaben der NGOs schwer verletzt. Die exzessive Gewalt der marokkanischen Ordnungskräfte ist nach Auffassung von PRO ASYL ein Reflex des Druckes der EU auf Marokko, bereits die Abfahrt von Bootsflüchtlingen in Richtung Kanarische Inseln zu verhindern.
In einer gemeinsamen Erklärung kritisieren marokkanische, französische und deutsche Nichtregierungsorganisationen auch eine neue Welle von Razzien gegen Menschen aus Staaten des subsaharischen Afrikas.* Aus fast allen Regionen Marokkos würden Migranten in die Region Oujda in der Nähe der algerischen Grenze geschafft und daran gehindert, andere Teile Marokkos wieder zu erreichen. Die Region entwickele sich zu einem großen Internierungslager unter freiem Himmel.
gez. Bernd Mesovic
Referent
* Diese Erklärung ist beigefügt:
Todesschüsse in Laâyoune für den Versuch, Marokko zu verlassen
Misshandlungen und Massenabschiebungen in Oujda
Wohin die Jagd auf MigrantInnen im Namen des Schutzes der Grenzen Europas führt
Beinahe zwei Jahre nach den dramatischen Ereignissen vom September/Oktober 2005, als 11 Menschen niedergeschossen wurden, allein weil sie über die Zäune steigen wollten, die sie von den beideni Enklaven Ceuta und Melilla trennten, sind jetzt in der Nacht vom 30. auf den 31. Juli 2007 zwei Menschen unter den Schüssen der marokkanischen Ordnungskräfte gestorben, als sie versuchten, an der Küste Laâyounes im Süden Marokkos aufs Meer zu gelangen. Zwei weitere Menschen wurden schwer verletzt.
Einige Tage zuvor haben die marokkanischen Ordnungskräfte in Oujda eine große Razzia gegen MigrantInnen und Asylsuchende aus Ländern südlich der Sahara gestartet, die sich auf dem Campus von Oujda niedergelassen hatten. Diese neue groß angelegte Operation endete mit der Festnahme von mehr als 450 Personen.
Die Ordnungskräfte nutzten die Semesterferien und die Abwesenheit der StudentInnen, um am Morgen des 26. Juli 2007 eine Razzia auf dem Campus durchzuführen. Zeugenaussagen einiger MigrantInnen und Asylsuchenden, die sich retten konnten, und junger MarokkanerInnen aus dem an den Campus angrenzenden Viertel berichten, dass gegen 4 Uhr morgens Polizei, Militär und Hilfskräfte die MigrantInnen eingekreist und begonnen haben, sie festzunehmen, sie zu misshandeln und brutal mit Gürteln und Gummiknüppeln zu schlagen, bevor sie sie in Kleinbusse verfrachteten. Die Personen, die es schafften, vom Campus in Richtung des angrenzenden Waldes zu fliehen, wurden durch die Ordnungskräfte verfolgt, von denen einige Hunde mit sich führten. Auf Veranlassung der Ordnungskräfte fuhren Bulldozer über das Camp und zerstörten und verbrannten dort alles. Es gibt Informationen, wonach eine bestimmte Zahl von MigrantInnen festgenommen wurde, die sich auf dem Campus befanden und die kürzlich in Laayoune festgenommen und nach Oujda zurückgeschoben worden waren und die schon deshalb sehr geschwächt waren. Infolge dieser Operation gab es mehrere Verletzte.
Die festgenommenen AfrikanerInnen aus den Ländern der Subsahara wurden zunächst zum Polizeikommissariat von Oujda gebracht. Dort wurden ihre Mobiltelefone beschlagnahmt, anschließend wurden sie in Polizeifahrzeuge geladen und aus der Stadt in Richtung (algerische) Grenze gefahren, in die Nähe der Zone von "Galla". Unter den abgeschobenen Personen waren mindestens sechs Frauen und zwei Kinder, von denen eins 4 Jahre alt ist.
Oujda ist seit einigen Jahren zu einem großen Internierungslager unter freiem Himmel geworden. Die MigrantInnen werden aus allen Regionen dorthin zurückgebracht und mit Hilfe von militarisierten Straßensperren und Abschreckungskampagnen gegenüber Transporteuren daran gehindert, wieder in die anderen Landesteile Marokkos zu gelangen. Die Verfahrensweisen, wie sie eigentlich vom marokkanischen Gesetz vorgesehen sind, werden dort nicht angewandt und Razzien und Festnahmen finden häufig statt. Die EinwohnerInnen von Oujda und die AktivistInnen der Zivilgesellschaft, die sich mit den AfrikanerInnen aus den Ländern der Subsahara (MigrantInnen, Asylsuchenden und Flüchtlingen) solidarisieren, werden von den lokalen Behörden eingeschüchtert und daran gehindert, ihnen zur Hilfe zu kommen.
Mit diesen neuen Toten, die durch Schüsse umkamen, und mit den Sammelabschiebungen machen die Verantwortlichen Marokkos ihre Verachtung gegenüber internationalen Verpflichtungen deutlich, obwohl sie diese unterschrieben und ratifiziert haben. Marokko schließt sich in ostentativer Weise der Politik der Repression der Migrationsströme an, wie sie von der Europäischen Union beabsichtigt ist, und setzt sie mit Übereifer um.
Die unterzeichnenden Organisationen prangern diese Machenschaften an, die ein schwerer Angriff auf die Menschenwürde sind, einzig und allein zum Nutzen der europäischen Staaten, und fordern den Verzicht auf die Sicherheits- und Repressionsideologie, die heute den Umgang mit Migrationsströmen bestimmt, besonders in Bezug auf die Grenzkontrollen, die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Menschen und die Kriminalisierung von Migration.
Wir warnen die Verantwortlichen auf beiden Seiten vor den Risiken, denen die AfrikanerInnen aus den Ländern der Subsahara, besonders die Frauen und Minderjährigen, in den Grenzzonen, in die sie zurückgeschoben werden, ausgesetzt werden.
Wir fordern eine gründliche, unparteiische und öffentliche Untersuchung der Geschehnisse in Laâyoune, die Freilassung der festgenommenen Personen und die Rückgabe all ihrer Habseligkeiten, die im Kommissariat von Oujda beschlagnahmt wurden.
Erstunterzeichner:
ABCDS (Association Beni Znassen pour la culture, le développement et la solidarité), AFVIC (Association amis et familles des victimes de l'immigration clandestine), ARCOM (association des réfugiés et demandeurs d'asile congolais au Maroc), ATTAC-Maroc, Cimade, CMSM (Conseil des migrants subsahariens au Maroc), Fluechtlingsrat Hamburg (Conseil des réfugiés Hambourg), GADEM (groupe antiraciste d'accompagnement et de défense des étrangers et migrants), Homme et environnement, RSF Maroc (Réfugiés sans frontière)
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