4.1.07 // Offener Brief zu Massenabschiebungen aus Marokko
In einem Offenen Brief nehmen verschiedene marokkanische und europäische Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen zu den jüngsten Razzien und Abschiebungen gegen subsaharische MigrantInnen und Flüchtlinge aus Marokko Stellung. Im Folgenden ist die dazugehörige Pressemitteilung dokumentiert.
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Pressemitteilung
Stoppt Razzien und Abschiebungen von Migranten
Menschenrechte gelten für alle gleich
Seit dem 23. Dezember 2006 wurden in Marokko über 400 Personen, die aus
Ländern südlich der Sahara stammen, bei Razzien festgenommen, zunächst
in Rabat, dann in Nador [bei Melilla, Üs] und El Aiun [Westsahara, Üs].
Dabei wurde nicht beachtet, ob sie eine Aufenthaltserlaubnis besitzen
oder nicht, ob sie Asylbewerber oder Flüchtlinge sind oder nicht,
Männer, Kinder, Frauen, Schwangere, Behinderte... Sie alle wurden am
frühen Morgen aus den Betten gerissen und nach kurzem Aufenthalt auf dem
Kommissariat an die algerische Grenze bei Oujda gefahren. Ihr einziges
"Vergehen": ihre Hautfarbe.
Nachdem sie bei Nacht an einer offiziell geschlossenen Grenze ausgesetzt
worden waren, spielten marokkanische und algerische Polizei und Armee
mit ihnen ein ungeheuerliches Pingpong-Spiel beiderseits der Grenze,
wobei sie keine Hemmungen hatten, zu schießen, um sie vom Betreten des
einen oder des anderen Landes abzuschrecken.
Inzwischen hat es ein guter Teil dieser Abgeschobenen um den Preis
ungezählter Schwierigkeiten und Leiden, für einige Frauen nach mehreren
Vergewaltigungen, zurück in die Grenzstadt Oujda geschafft, wo sie --
mehr schlecht als recht unterstützt von einigen organisierten Aktivisten
-- an der Umfriedungsmauer des Universitätscampus' leben und dort auch
schlafen, bei Temperaturen, die nachts nahe null liegen.
Währenddessen haben wir von über hundert von ihnen keine Nachricht.
Diese Abschiebungswelle folgt zwei euro-afrikanischen
Ministerkonferenzen zum Thema Migrationsbewegungen, die im Lauf der
letzten Monate in Rabat und Tripoli abgehalten wurden. Dort war die
Bedeutung des "Schutzes der Rechte aller Migranten" unterstrichen
worden. Aber jenseits der Sonntagsreden herrscht bei diesem Thema
weiterhin der Repressions- und Sicherheitsaspekt vor, und Marokko
bestätigt seine Bereitschaft, Hilfspolizist zu spielen für ein Europa,
das für die Menschen aus Marokko genauso verriegelt ist wie für die aus
anderen afrikanischen Ländern.
Bei einem Treffen am Sitz der [marokkanischen Menschenrechtsvereinigung,
Üs] AMDH am Donnerstag, 4. Januar 2007, haben wir, Repräsentanten von
Organisationen und einfache Bürger verschiedener Nationalitäten,
einhellig diese rassistischen Verhaftungen verurteilt, die von den
marokkanische Behörden unter Kriminalisierung einer Hautfarbe
durchgeführt wurden, ohne jeden Respekt sowohl vor dem marokkanischen
Gesetz als auch vor den internationalen Konventionen und Texten, die die
Menschenrechte im allgemeinen und die Rechte der Migranten, Flüchtlinge
und Asylbewerber im besonderen regeln.
Wir sind schockiert über die unmenschliche Behandlung, die diese
Personen erlitten haben, und von den inakzeptablen Bedingungen, unter
denen sie gegen ihren Willen in Oujda festgehalten werden, weil ihnen
untersagt wird, an ihre bisherigen Wohnsitze in Marokko zurückzukehren.
Wir prangern den ständigen Druck der Europäischen Union gegen ihre
Nachbarländer an, die Kontrolle ihrer Grenzen in ihrem Auftrag zu
übernehmen, und ihr komplizenhaftes Schweigen gegenüber den schweren
Verstößen gegen die Menschenrechte, die im Namen dieses Auftrags
begangen werden.
Verantwortlich machen wir die marokkanische Regierung, aber auch die
Regierungen der Europäischen Union für alle Folgen, die diese
Menschenrechtsverletzungen für die Gesundheit und die körperliche und
moralische Unversehrtheit der abgeschobenen Personen haben. Wir beklagen
die Unfähigkeit des HCR, den Schutz der Personen, die in ihren
Zuständigkeitsbereich fallen, sicherzustellen [Es wurden auch Personen
mit Flüchtlingspässen des UNHCR abgeschoben, A. d. Ü.]. Wir werden in
diesem Sinne einen offenen Brief an die Europäische Kommission und an
die marokkanische Regierung schreiben, ebenso wie an alle Organisationen
und Institutionen, die von diesem Vorgang betroffen sind.
Wir rufen alle zur Solidarität mit den Opfern dieser massiven Razzien
auf und fordern die sofortige Rückkehr aller Ausgewiesenen an ihre
bisherigen Wohnsitze sowie den Abbruch aller weiteren Abschiebungen.
ABCDS- ALCS- AMDH- ATTAC- AFVIC- ARCOM- AMERM- CRM- Conseil Migrants-
Caritas- GADEM- Homme et environnement- MDM- OMDH- RRIM- RSFMaroc
initiativen:
Anhang | Größe |
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