Gazale Salame berichtet über ihre Abschiebung
>Gazale Salame:
Bericht über meine Abschiebung aus dem Landkreis Hildesheim in die Türkei am 10. Februar 2005
Ismir/Antalya, 13. März 2005
Anmerkung der Aufzeichnerin: Der im Text häufig genannte Jürgen Kalmbach ist der zuständige Beamte des Landkreises Hildesheim, der Gazales Abschiebung veranlasst hat. Die Tochter Schams hat keine türkische Staatsbürgerschaft.
Einige Persönliche Daten:
Name: Gazale Salame (durch die aufgezwungene türkische Identität: Gazali Önder)
Geburtsort: Libanon
Alter: 24 Jahre
Eingereist in die BRD im Mai 1988
Wohnhaft in Deutschland: Algermissen, Landkreis Hildesheim
Status: verheiratet mit Ahmed Siala, 3 Kinder im Alter von 7, 8 und 1 ½ Jahren. Schwanger im dritten Monat.
>>>Bericht als PDF-Datei<<<
Am 10. Februar bin ich um 7 Uhr aufgewacht und habe meine Kinder Amina und Nora aufgeweckt. Sie haben sich für die Schule angezogen. Ich habe ihnen noch Kakao gemacht und sie gekämmt. Dann haben sie sich von mir verabschiedet ich habe sie beide geküsst. Dann wollte ich wieder ins Bett gehen aber ich habe gedacht, dass Nora immer Donnerstags Sport hat und ihren Sportbeutel zu Hause vergessen hat. Deswegen habe ich meinen Mann Ahmed aufgeweckt, damit er zur Bushaltestelle geht und ihr den Beutel gibt. Ahmed ist weggegangen, ich habe ihn vom Fenster beobachtet. 2 Minuten später sah ich dann auf einmal ganz viele Polizeiautos die zu unserem Haus fuhren und einen großen weißen Lastwagen. Ich dachte, dass ist heute der Moment an dem ich weggehen muss. Meine kleine Tochter Schamps lag in meinem Bett und schlief. Dann fingen sie an an die Fenster zu klopfen und mit Taschenlampen überall reinzugucken, sie haben vor der Türe meinen Namen gerufen „Frau Önder!“ ich war im Schlafanzug und musste mich schnell anziehen. Sie haben die ganze Zeit geklopft und hätten fast die Tür zerbrochen. Dann habe ich die Türe aufgemacht. Es waren 5 Polizisten und eine Frau. Sie haben mir gesagt „Sind Sie Frau Önder?“ und ich habe gesagt „Warum?“ und der eine Polizist sagte mir „Weil wir die Anweisung haben, Dich heute in die Türkei zu bringen.“ Er sagte ich solle schnell meine Koffer einpacken. Dann bin ich ausgerastet. Ich habe gesagt dass meine Kinder in der Schule sind und dass meine kleine schläft. Ich habe sie angefleht, dass sie mir dass nicht antun. Er sagte mir ich soll mich beeilen, um das Flugzeug in die Türkei nicht zu verpassen. Und er sagt mir, dass ich 5 Jahre Zeit gehabt hätte, um mich zu retten, weil ich schon seit 5 Jahren angedroht wurde, abgeschoben zu werden. Er sagte „Waschen Sie sich erstmal das Gesicht und die Zähne und machen Sie sich für die Fahrt bereit“. Die Polizistin musste mitzugucken, wie ich auf die Toilette ging und ich mir die Zähne geputzt habe. Als ich aus der Toilette kam, ist meine Mann Ahmed rein gekommen und wusste worum es sich jetzt handelt. Der Polizist hat es ihm erklärt. Als ich raus gekommen bin, bin ich fast ohnmächtig geworden und der Mann sagte mir, dass er dass nie tun würde, wenn er diesen Befehl nicht gekriegt hätte. Er sagte „Das ist ein gerichtlicher Befehl, was können wir machen?“
Er war ein bisschen wütend geworden, weil ich meine Sachen noch nicht eingepackt hatte, weil ich nur am weinen war. Und er sagte mir: „Wenn Du jetzt deinen Koffer nicht packst, dann nehmen wir dich so wie du bist mit“ Mein Mann hat beim Rechtsanwalt angerufen und den Polizisten gesagt, dass seine Frau schwanger ist und dass mir etwas auf der Fahrt zustoßen könnte. Er hat dann auch den Landrat angerufen, wo ihm auch keiner helfen wollte. Der Rechtsanwalt wollte auch nichts machen.
Die Polizisten zeigten einmal Nettigkeit und dann waren sie garstig zu mir, weil ich immer geweint habe und gesagt habe „ich will nicht mit, ich kenne die Türkei nicht und spreche kein türkisch und dass ich schon seit 17 Jahren in Deutschland lebe, dass es mein Heimatland geworden ist. Und dass meine Kinder zur Schule gehen. (Anmerkung der Aufzeichnerin: die Polizisten wechselten zwischen Siezen und Duzen) Einige Polizisten waren nett und andere waren aggressiv. Sie haben mich böse angeguckt und sagten „wir haben keine Zeit für deine Spielchen“
Ich sagte ihm „meine Tochter braucht ihre Milch“, weil sie aufgewacht war und geweint hat. Er sagte „das ist nicht nötig, dass kann auch der Vater machen“. Da wusste ich, dass ich ohne die Kinder abgeschoben werden sollte. Dann war ich richtig außer Sinnen, ich wusste nicht mehr, ob ich Mensch oder ein Tier bin. Dem einen Polizisten tat ich richtig Leid, weil ich meine Kinder hier verlassen musste und weil ich mir richtig an den Haaren gezogen habe und mich geschlagen habe, weil ich meine Kinder verlassen musste. Ich habe mir vor Wut in die Hände gebissen. Er sagte mir, dass er mir helfen könnte, die Kleine mit abzuschieben. Ich habe denen gesagt, sie sollen noch mal im Landkreis anrufen und sie bitten, dass er (Kalmbach) mir noch ein bisschen Zeit gibt, dass er mir dass nicht antun soll und dass ich alles tun werde, was er verlangt. Und dass ich schwanger bin und kein türkisch spreche. Und dass ich das Baby nicht vor Schock verlieren möchte. Ich war zu dem Zeitpunkt im zweiten Monat. Dann haben die bei Kalmbach angerufen und die haben ihm gesagt, was ich denen gesagt habe. Die sind zum Telefonieren raus gegangen. Dann kam der Polizist rein und sagte mir „Es muss jetzt so schnell wie möglich gehen, bevor das Flugzeug weggeht“. Der eine sagte mir, „ich werde jetzt gleich Papiere für deine kleine Tochter machen, damit sie auch mit reisen kann. Du kannst jetzt für deine kleine Tochter einen Koffer packen“ Ich fragte „Darf ich mich von meinen zwei Töchtern, die in der Schule sind verabschieden?“ Und er sagte „Nein, das macht die Sache nur noch schlimmer“ Dann habe ich meine Koffer fertig gemacht. Ich habe gezittert und geweint. Sie haben die ganze Zeit Druck gemacht „schnell, schnell, schnell“ Ich habe vor Aufregung die Hälfte der Sachen, die ich nötig hatte dagelassen“. Dann bin ich in den weißen Lastwagen gegangen. Mein Mann hat zugeguckt wie wir weggefahren sind. Wir haben beide geweint und der Polizist sagte zu meinem Mann, er solle bis zum Flughafen nach Hannover fahren und sich von mir verabschieden. Ich konnte vor Angst Schams nicht mehr halten, sie ist mir aus dem Arm gefallen. Dann haben sie mir Schams wieder gegeben. Der eine Polizist sagte mir, ich bräuchte nicht so große Angst zu haben, weil mit den Papieren, die er jetzt für meine Tochter macht, wird Schams bestimmt nicht in der Türkei angenommen. Und dass ich wieder aus der Türkei deswegen zurückgeschickt werde. Ich hatte dann so eine kleine Hoffnung im Herz und konnte mich wieder aufbauen, zu meinen Kindern zurück gebracht zu werden. Dann sind wir am Polizeirevier angekommen und da hat man mich und meine Tochter in ein Zimmer gebracht wo wir warten mussten und durchsucht wurden. Dann kam eine Frau und sagte mir, dass sie mich jetzt durchsuchen möchte. Da wurde mir wieder schwindelig und ich bin nach hinten gesackt. Sie sagte mir „Ich muss das machen, egal was Sie machen“. Dann habe ich ihr gesagt „Ich habe nichts. Wofür willst du mich durchsuchen?“ Sie sagte ich soll mich ganz ausziehen, wobei sie mich überall durchsucht hat. Zwischen meinen Haaren, hinter meinen Ohren, überall! Meine Socken musste ich auch ausziehen. Die Schuhe wurden durchsucht. Sie haben mir mein Geld weggenommen. Ich hatte 400 Euro, die hatte mir mein Mann gegeben, damit ich und Schams überleben können. Das war das ganze Geld was er hatte. Sie sagte mir „Wenn du in Istanbul ankommst gebe ich Dir deine Sachen wieder“. Dann sollte ich mich wieder anziehen. Dann wurde Schams durchsucht auch ganz nackt. Auch die Windeln. Wobei sie auch nichts gefunden haben. Ich habe ihnen gesagt, dass es mir ganz schlecht geht und ich habe die ganze Zeit gezittert. Die Frau sagte mir „Sollen wir Dir einen Arzt rufen?“ Ich sagte „Ich brauche keinen Arzt, es geht mir besser, wenn Ihr mich nicht abschiebt. Das kommt von der Angst und weil ihr mich von meinen Kindern trennen wollt und in ein Land bringen, in dem ich nichts machen kann, keine Wohnung habe und kein türkisch sprechen kann. Es ist ein fremdes Land für mich.“ Sie sagte, egal was heute wäre und was auch passiert, wenn es dir nicht gut geht, werden wir einen Arzt besorgen. Aber du wirst heute in Istanbul ankommen. Du brauchst Dich nicht krank zu stellen. Wir kennen dieses Spielchen.“ Obwohl ich in meinem Inneren richtig verletzt war und einen Schock hatte. Sie sagte mir „Das Flugzeug ist jetzt da, wir müssen los“ Ich habe sie noch mal angefleht. Sie sagte „Du brauchst mich nicht anzuflehen. Ich habe das nicht selbst entschieden, ich mache hier nur meine Arbeit und es darf nichts schief gehen“ Dann sind wir zum Flughafen gefahren. Ich konnte vor Angst nicht laufen. Sie hat mich an einer Seite festgehalten und in das Fahrzeug reingesetzt. Dann sind wir zum Flughafen gefahren. Da war noch jemand, der mit abgeschoben werden sollte. Er konnte türkisch und deutsch sprechen. Ich wurde von 4 Polizisten und der Frau begleitet. Ich habe ihnen am Flughafen gesagt: „Guckt bitte draußen, ob mein Mann irgendwo auf dem Flughafen ist, damit ich mich von ihm verabschieden kann“. Sie sagten „Nein, dass Flugzeug hebt gleich ab“ Dann sind wir ins Flugzeug rein gegangen. Dann kam der Pilot zu mir, hat die Türe festgehalten und hat türkisch gesprochen. Er hat gesehen, dass ich und meine Tochter geweint haben und wir nicht in das Flugzeug reingehen wollten. Von seiner Reaktion her sah ich, dass er mich nicht in das Flugzeug reingehen lassen wollte. Er hat türksich gesprochen und mit der Polizistin Englisch gesprochen. Ich verstehe ein bisschen Englisch. Er sagte, dass wir vom Fahrzeug runtergehen müssten, weil es ihnen nicht gut geht. Die Polizisten haben dann irgendwas mit ihm abgeklärt und haben mich trotzdem in das Flugzeug rein gezogen. Dann habe ich mich hingesetzt. Ich habe die ganze Zeit nur geweint und gesagt „ich will nicht weg. Bitte. Bitte nehmt mich hier runter. Ich kenne die Türkei nicht. Ich will zu meinen Kindern“. Dann habe ich die Kontrolle verloren und bin fast ohnmächtig geworden. Die Polizistin bot mir ein Glas Wasser an und sie sagte mir noch mal, dass sie einen Arzt hätten der mich bis Istanbul begleiten würde, wenn es mir nicht besser gehen würde. Wobei dann das Flugzeug abheben musste. Nach dem Abflug wurde mir übel, ich musste mich übergeben. Da hat sie mich wieder bis zur Toilette begleitet und ich sollte die Tür wieder nicht abschließen. Der Polizist hatte meine Tochter auf dem Arm. Als ich wieder hinsetzte, gab er sie mir wieder, ich sollte sie die drei Stunden bis wir angekommen sind auf dem Arm halten. Das war für mich die schlimmste Zeit in meinem ganzen Leben, wo ich mich richtig vernichtet gefühlt habe. Aber ich musste mich zusammenreißen, wegen meiner Schwangerschaft und meiner kleinen Tochter, wollte ich also noch Leben.
Als wir angekommen sind haben die Polizisten meine Papiere und die meiner Tochter an die türkischen Behörden abgegeben und gingen weg, vorher gaben sie mir die Sachen, die sie mir in Deutschland abgenommen hatten. Der junge Mann der auch abgeschoben worden war stand neben mir, er sprach deutsch und türkisch. Ich habe den Mann gebeten mir zu helfen meine Tochter mitzutragen, weil ich nicht mehr konnte. Und er sollte mir helfen den Behörden zu erklären, dass meine Tochter keinen türkischen Pass hat und dass ich kein Türkisch kann, dass ich nie in der Türkei gelebt habe. Der eine türkische Beamte wollte ihm nicht zu hören, weil ich für mich selbst sprechen sollte. Dann sperrten sie mich in ein Zimmer ein, wo es richtig kalt war, es gab nur ein paar Stühle, nichts zu essen und wir durften auch nicht auf die Toilette. Sechs Stunden lang ließen sie mich mit meiner Tochter eingesperrt, bis die Sache mit den Papieren abgeklärt war.
In dem Zimmer habe ich es nicht mehr ausgehalten, meine Tochter wurde sehr unruhig, sie wollte ihre Milch trinken, aber wir hatten nichts zu essen. Ich habe gegen die Tür gehämmert und gesagt „Lasst mich raus hier! Meine Tochter hat Hunger! Holt mir irgendwas für meine Tochter, Brot oder Wasser; egal!“ Sie kam überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Meine Tochter musste auch gewindelt werden, ich legte sie auf den Boden und windelte sie.
Der Mann der türkisch und Deutsch sprechen konnte, war in einem anderen Zimmer. Als er hörte wie ich gegen die Tür hämmerte, kam er aus seinem Zimmer heraus und hat mir gesagt „Ich ruf dir gleich Hilfe.“, dann hat er den türkischen Polizist gerufen, der mir die Tür öffnete. Ich habe mit dem türkischen Polizisten Deutsch gesprochen und gesagt „Meine Tochter hat Hunger. Lassen sie die Tür auf. Ich habe nichts getan, dass sie mich hier einsperren.“ Der deutsch-türkisch-sprachige Mann übersetzte alles für mich und der Polizist sagte zu ihm, er soll wieder in sein Zimmer gehen und sie hätten nichts zu essen und zu trinken da und dass wir um acht Uhr entlassen werden, bis unsere Papiere fertig sind. Dann schubste er mich wieder in das Zimmer und schloss ab. Meine Tochter konnte vom vielen weinen und vor Hunger nicht mehr und legte sich auf mich, konnte aber kein Auge zubekommen. Ich war richtig fertig, ich dachte das ist mein Ende. Ich dachte, wenn ich das überlebe, dann werd ich’s überleben, wenn nicht ist das heute mein Ende.
Um sieben Uhr wurde eine festgenommene Deutsche Urlauberin zu mir ins Zimmer gebracht. Sie musste durchsucht werden und sie hat mir erzählt, dass sie einen türkischen Freund in Istanbul hat und sie wüsste auch nicht warum sie so behandelt wurde. Sie hat auch gesehen, wie mich die Polizisten behandelt haben und wie sie mich mit meiner Tochter eingesperrt haben.
Um acht durften wir raus. Ich musste meine Tochter tragen und sie fragten uns ob wir Gepäck hätten. Ich antwortete „ja“, dann gingen wir um das Gepäck abzuholen. Ich musste selbst einen Gepäckwagen besorgen
Der türkische Polizist sagte mir, ich solle die ganzen Gepäckstücke auf den Wagen setzen, wobei sie sehr schwer waren und ich meine Tochter auf dem Arm hatte. Ich habe ihm gezeigt, dass ich schwanger bin und er fing an auf Englisch rum zu schreien, ich solle das Gepäck da jetzt drauf setzen. Die deutsche Urlauberin wollte mir helfen meine Tochter mit zutragen, dann wurden ihr Handschellen angelegt, weil sie ihren Platz deswegen verlassen hatte. Meine Tochter ist dann weggerannt. Der Polizist hat sie mit Wut an der Kapuze gepackt und zu mir geschliffen, er setzte sie wieder auf meinen Arm und fing an zu schreien. Dann musste ich mit meiner Tochter auf dem Arm den Gepäckwagen schieben. Die Koffer sind mir dann aus dem Wagen runter gefallen. Der Polizist wurde wieder wütend und zeigte mir wieder, dass ich die Koffer wieder auf dem Wagen packen sollte. Die deutsche Frau durfte mir noch immer nicht helfen, ich tat ihr sehr leid. Ich hab dann dem Polizisten auf Deutsch gesagt “Wenn ich eines Tages wieder in Deutschland bin, werde ich dich anzeigen!“ und die deutsche Frau sagte zu mir „Ich werde dir auch helfen.“ Ich wollte noch ihre Telefonnummer haben, aber wir durften nicht mehr miteinander reden, der Polizist verbot es uns. Die Polizisten brachten uns bis zum Ausgang. Die deutsche Frau wurde von ihrem Freund abgeholt und ich musste weiter in der Kälte auf ein Taxi warten, damit wir zum Polizeirevier (Einwanderungsbehörde? Viele andere abgeschobene Leute warteten dort, türkisch: Karakol) fahren konnten. Ich musste wieder meine Koffer alleine tragen. Ein paar türkische Männer haben mir dann geholfen.
Und da sollte ich noch lange warten. Meine Eltern hatten einen Bekannten, den ich noch nie gesehen habe und der ist dann dahin gekommen, weil ihn meine Eltern informiert haben. Weil sie einen Tag nichts mehr von mir gehört hatten, wollten sie wissen was mit mir in der Türkei ist. Und er sollte zum Karakol gehen um mir zu helfen. Der Bekannte wurde auch vor langer Zeit abgeschoben. Der hat mit den Männern da gesprochen, meinen Pass geholt. Und er hat denen auch gesagt, dass ich jetzt hier nicht übernachten kann, in dieser Kälte, weil ich schwanger bin. Und dass ich viel durchgemacht habe und dass meine Tochter Hunger hat, dass er mich also zu einem Hotel bringen würde. Wir durften dann weg und sind zum Hotel gegangen und dieser Mann sagte mir auch dass er in Izmir nette Leute kennt, die mich da aufnehmen könnten, weil er nur eine kleine Wohnung hat.
Am nächsten Tag bin ich um acht Uhr abends mit dem Flugzeug nach Izmir geflogen. Er hat die Leute benachrichtigt die da waren. Und er hat ihnen auch meine Lage erzählt. Und als ich in Izmir war haben sie mich vom Flughafen abgeholt. Dort habe ich eine alte Freundin gesehen, die auch schon vor fünf Jahren abgeschoben wurde. Sie ist sehr arm und konnte mich bei ihr nicht aufnehmen. Also, musste ich bei ihren Schwiegereltern schlafen, die auch sehr arm sind und kein Geld haben. Ich habe denen auch wieder meine Lage erzählt. Sie wollten mich nicht auf der Strasse sitzen lassen mit meiner Tochter und boten mir an mich aufzunehmen.
Es ist eine Familie mit sieben Personen, mit der ich auch zusammen bin. Sie bekommen selbst kaum was zu essen, ihr Haus ist voll verschimmelt. Meine Tochter ist Asthma krank geworden, sie braucht sehr teure Medikamente, die ich ihr nicht besorgen kann. Es ist eiskalt hier, es gibt keine Heizung, es gibt kein fließend Warmwasser, sie haben nur einen Ofen im Wohnzimmer, der nicht jederzeit angemacht wird, weil die Kohle viel kostet. Die Familie lebt vom Verkauf von selbst angebautem Obst und Gemüse. Wir schlafen auf dem Boden, unter uns kommen Decken und über uns auch etwas zum zudecken. Wir ziehen uns richtig dick an, weil es sehr kalt ist. Die Leute leisten sich nicht mal neue Kleidung, weil sie, was sie an Geld verdienen, für Medikamente ausgeben. Weil die Mutter von den Kindern an Diabetes leidet. Und der Vater an einer Gesichtslähmung leidet, für das übrige Geld wird Nahrung gekauft. Ich traue mich kaum raus zugehen alleine da, weil es sehr viele Diebstähle gibt, die tödlich werden können. Man wollte letztens meine Tasche von meiner Hand wegnehmen, aber sie haben’s nicht geschafft. Deswegen gehe ich auch nur mit den Frauen raus. Die Leute haben mich aufgenommen, weil ich ihnen leid tue. Sie geben mir und meiner Tochter, Nahrung, das was ihnen möglich ist. Wenn sie mehr geben könnten, würden sie’s auch tun. Es hilft mir, dass die Leute mit mir arabisch sprechen können.
Ich will um jeden Preis wieder zurück, ich und meine Tochter werden immer kränker. Ich fühle mich wie in zwei Stücke geschnitten, die eine Hälfte ist bei meinen Kindern und meinem Mann in Deutschland, das andere bei meiner Tochter und bei meiner Schwangerschaft. Mein Herz ist richtig gebrochen, was man mir angetan hat, hat es noch nie gegeben und wird es auch nie geben. Man hat mich wie ein Tier behandelt. Ich lebe auf einer Hoffnung dass ich wieder zurückkehre in meine Vergangenheit zu meinen Kindern und meinem Mann, meiner Familie. Ich will wieder zurück! Bitte helft mir!
Ich habe in Deutschland siebzehn Jahre gelebt vor meiner Abschiebung. Ich wurde abgeschoben, weil ich mit meinem Mann nicht nach deutschem Gesetz verheiratet war. Wir haben es vielmals versucht. Wir sind nach arabischem Recht verheiratet, dass nicht anerkannt wird in Deutschland. Der Landkreis hatte vor fünf Jahren den libanesischen Pass meines Mannes weggenommen, dadurch hat er seine Arbeit verloren und wir konnten nicht standesamtlich heiraten ohne Pass. Mein Mann hat sich mit Herrn Kalmbach gestritten und sagte ihm warum er uns auseinander trennen will. Wir haben zusammen Kinder, wir leben zusammen, wir sind verheiratet. Und dass er uns in Ruhe lassen soll, dass er das nicht hinkriegen wird. Und Herr Kalmbach hat gesagt „Ihr werdet sehn wer zum Schluss gewinnt. Wenn es jetzt nicht passiert, werde ich immer hinter euch bleiben und dafür sorgen, dass deine Frau abgeschoben wird.“ Im Moment hat er es hingekriegt mich zu vernichten. Ich bitte jeden der mir helfen kann mir zu helfen. Ich fühle, wenn ich hier noch länger bleibe, dass ich psychischen krank werde. Man hat mich von meinem ein und alles getrennt. Ich fühle mich in der Türkei fremd und möchte nach Hause zu meinen Kindern in Deutschland. Ich flehe jeden an mich dabei zu unterstützen.
Gazale Salame
Ismir/Antalya, den 13. März 2005
LibaSoli:
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