14.3.05 // PE: Gazale Salame – Delegation berichtet über Situation in der Türkei

Arbeitskreis Asyl Göttingen Pressemitteilung Für Rückfragen: 0179- Göttingen/Hildesheim, 14. März 2005 Abgeschobene Gazale Salame – Delegation der Initiative Bleiberecht entsetzt über Verhältnisse vor Ort UnterstützerInnen liefern detaillierten Bericht aus der Türkei In einem Bericht schildern UnterstützerInnen die derzeitige Situation von Gazale Salame, die vor einem Monat in die Türkei abgeschoben wurde. Die Situation der 24jährigen hat sich seit der Abschiebung massiv verschlechtert. Eine Verbesserung der Situation ist nicht in Sicht. Gazale Salame wurde am 10. Febraur mit ihrer einjährigen Tochter Schamps aus dem Landkreis Hildesheim in die Türkei abgeschoben. Gazale zählt zur Gruppe der Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon. Sie ist im dritten Monat schwanger. Mit der Abschiebung wurde sie von ihrem Mann und zwei weiteren Kindern getrennt. Vor einer Woche reisten UnterstützerInnen in die Türkei, um Gazale vor Ort zu unterstützen. Von dort erreichte uns am Wochenende ein Bericht über die derzeitige Situation: - Nach der Abschiebung ist Gazale bei einer ebenfalls aus Deutschland abgeschobenen Familie untergekopmmen, die allerdings selbst völlig verarmt ist; es fehlt am Nötigsten, z.B. an Geld für Nahrungsmittel und die Beheizung der Zimmer. - Sämtliche Räume der Unterkunft sind von Schimmel befallen. Eine von den UnterstützerInnen konsultierte Ärztin warnte eindringlich vor der weiteren Unterbringung Gazales in diesen Räumlichkeiten. Sie diagnostizierte bereits jetzt eine Unterleibserkrankung bei der Schwangeren und Atemwegserkrankungen bei ihrer einjährigen Tochter. - Infolge der Abschiebung und der gewaltsamen Trennung von ihren beiden anderen Kinden und ihrem Ehemann leidet Gazale außerdem unter einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung, die eine psychologische Behandlung dringend erforderlich macht. Zu medizinischer und psychologischer Versorgung hat sie de facto keinen Zugang. Zum Hintergrund: Gazale ist zusammen mit ihren Eltern als Siebenjährige aus dem Libanon in die BRD geflohen. Mit ihrer Abschiebung nach 17 Jahren Aufenthalt in Deutschland wird derzeit ihr Ehemann, libanesischer Staatsangehöriger, von der Ausländerbehörde unter Druck gesetzt, “freiwillig” in die Türkei auszureisen. Gleichzeitig betreibt der Landkreis seine Abschiebung in den Libanon. Gazale wurde unter einem türkischen Namen und mit türkischen Passersatzpapieren vor drei Wochen in einer Nacht- und Nebel- Aktion abgeschoben. Einigen Tausend libanesischen Bürgerkriegsflüchtlingen droht seit vier Jahren die Abschiebung in die Türkei, die meisten Betroffenen leben bereits in der zweiten Generation hier, sind in der BRD geboren oder aufgewachsen. Seit der Abschiebung wurde immer öfter die Rückkehr Gazales gefordert. Zuletzt demonstrierten 200 Menschen vor der Ausländerbehörde Hildesheim für die Rückkehr Gazales. Abschiebung libanesischer Bürgerkriegsflüchtlinge in die Türkei: eine absurde Konstruktion Die Vorwürfe gegen Gazale und ihre Familie sind die gleichen wie gegen einige Tausend libanesische Bürgerkriegsflüchtlinge in Niedersachsen, Bremen und NRW. Jahrelang hatten sie hier einen gesicherten Aufenthaltsstatus als Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon. Dass sie nun mit türkischen Namen in die Türkei abgeschoben werden sollen, geht auf ihre Fluchtgeschichte zurück. Die Vorfahren lebten als Angehörige der arabischen Minderheit Mahalmi im Südosten der Türkei. Von dort wanderten sie ab den 1920er Jahren in den Libanon und nach Syrien aus – wegen besserer Arbeitsmöglichkeiten und um der Diskriminierung im jungen türkischen Staat zu entkommen. Aufgrund des türkischen Staatsangehörigkeitsrechts sind nun viele der Nachkommen dieser Gruppe offiziell türkische Staatsangehörige und unter aufgezwungenen türkischen Namen in türkischen Registern verzeichnet – zum größten Teil ohne das Wissen der Betroffenen. In Northeim, Göttingen, Bremen und auch in anderen Städten wehren sich Flüchtlinge gegen die Abschiebung in die Türkei. In Northeim konnten bisher alle Abschiebeversuche vereitelt werden. Nach wochenlangem Protest konnte vor zwei Jahren die Abschiebung von Gazales Familie – ihrer Eltern und Geschwister – letztlich verhindert werden.