Wem nützt das neue Bleiberecht?

HAZ vom 29.11.2006 Wem nützt das neue Bleiberecht? Bis in den Abend diskutierten Vertreter des Innenministeriums mit Kommunalbeamten das neue Bleiberecht für Langzeitgeduldete, auf das sich die deutschen Innenminister verständigt haben. Auf dem Tisch lag der siebenseitige Entwurf eines Erlasses aus dem Hause von Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Dieser Entwurf legt den Spielraum, den niedersächsische Ausländerbehörden bei der Gewährung des Bleiberechtes haben, sehr eng aus – noch enger als in Bayern bemängeln Kritiker. Gut 22.000 der 200.000 Geduldeten leben in Niedersachsen. Mindestens sechs Jahre (Familien mit mindestens einem minderjährigen Kind) oder acht Jahre (Ledige) müssen Flüchtlinge in der Bundesrepublik leben, wenn sie ein Bleiberecht beanspruchen wollen, haben die Innenminister festgelegt. Niedersachsen verlangt neben dem Ausweis eines Jobs oder der Vorlage eines Arbeitsvertrages nun auch ausreichende Deutschkenntnisse. „Bayern ist da weniger hart”, sagt Kai Weber vom Flüchtlingsrat. Im Freistaat werde den Antragstellern noch ein Zeitraum eingeräumt, Deutsch zu lernen. Weber findet die geplante niedersächsische Regelung auch deshalb ungerecht, weil geduldete Flüchtlinge zu den Sprach- und Integrationskursen bislang überhaupt nicht zugelassen waren. Während die Ausländerexperten mit den Beamten des Innenministeriums berieten, stellte Innenminister Schünemann gestern Nachmittag der FDP-Landtagsfraktion seinen Kurs dar. „Ein gutes und konstruktives Gespräch”, urteilte später FDP-Fraktionschef Philipp Rösler. Er ist froh, dass sich Schünemann überhaupt zu einer Bleiberechtsregelung durchgerungen hat – „aber viele Details sehen wir kritisch”. Ähnlich hatte sich zuvor die SPD geäußert. So greife die Bleiberechtsregelung, die einen humanitären Konflikt befrieden sollte, nach wie vor zu kurz. „Nur zehn Prozent der Geduldeten haben einen Job. Für die dramatischsten Fälle ist der Bleiberechtskompromiss zwar eine Lösung, aber uns ist sie noch nicht human genug”, sagt Rösler. Deshalb hofft der FDP-Chef „dringend”, dass bis zum Spätherbst kommenden Jahres – diese Frist haben die Innenminister den Geduldeten zur Jobsuche gesetzt – endlich eine bundesgesetzliche Regelung komme, die mehr Flüchtlinge erfasse. Unklar ist nach wie vor, wie mit Menschen verfahren wird, die sich in ein Kirchenasyl begeben haben. Hatten sie da schon einen konkreten Abschiebetermin, sieht der bisherige Entwurf des Innenministeriums klar vor, den Menschen das neue Bleiberecht zu verweigern. Wer „die Ausländerbehörde über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht oder behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung hinausgezögert oder behindert” habe, solle nicht in den Genuss der neuen Regelung kommen. Vor der FDP-Fraktion betonte Schünemann, man müsse sich den Einzelfall anschauen. Da ausländische Familien oft im Niedriglohnbereich arbeiten, haben die Innenminister zumindest Großfamilien einen ergänzenden Bezug öffentlicher Leistungen zugestanden – „nur bis zur Höhe des Kindergeldes”, schränkt Niedersachsen ein. Eine wesentliche Einschränkung, erklärt Kai Weber. Denn Kindergeld bekämen Menschen mit einer Bleiberechtsgenehmigung ohnehin. „Aber die ergänzende Sozialhilfe wird gestrichen.”